Tesla: "Gigafabrik" trifft auf märkische Provinz
Es klang wie der ganz große Coup: Der E-Auto-Hersteller Tesla will in Brandenburg eine "Gigafactory" bauen. Doch wo Veränderung klopft, ist deutsche Protestkultur nicht weit.
Bürger waren eingeladen, gekommen aber ist erst mal nur die Presse. Arne Christiani runzelt die Stirn. So hatte sich das der Bürgermeister von Grünheide, einer 8.458-Seelen-Stadt in der Nähe von Berlin, eigentlich nicht vorgestellt. Dann winkt er ab, freut sich, dass "sie" überhaupt gekommen sind.
Mit "sie" meint Christiani Tesla. Oder genauer gesagt: eine vom Autobauer beauftragte Kommunikationsagentur. Die soll ab jetzt zwei Mal in der Woche für je zwei Stunden den Einwohnern der Kleinstadt Rede und Antwort stehen. Soll Ängste nehmen - vor der neuen "Gigafactory".
Denn geht es nach den kühnen Plänen von Tesla-Chef Elon Musk, sollen in Grünheide bald schon tausende Elektroautos vom Band rollen. Von 150.000 Autos ab nächstem Jahr ist die Rede. Ambitioniert nennen das die einen, die anderen halten es für Größenwahn. Denn dort wo jetzt noch ein Kiefernwald steht, soll eine "Gigafactory" hin: In der ersten Ausbaustufe auf einer Fläche von 32 Fußballfeldern, zwei Stockwerken, mit 4.000 Mitarbeitern.
Protest gegen die "Gigafactory"
Diese Dimensionen treiben viele Grünheider auf die Straße. Spontan hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. "Gelbwesten gegen Gigafactory", heißt sie erst, dann ist dem Gründer Frank Gersdorf der Name doch etwas zu unpassend. "BI GGG" heißt sie jetzt - Bürgerinitiative gegen Gigafactory Grünheide. Vergangenen Samstag mobilisiert sie hunderte - Anwohner, Zugezogene, Angereiste. Die meisten warnen vor der Umweltkatastrophe, wollen den Wald schützen, mancher hat Angst vor den vielen Arbeitskräften aus Polen, andere vor dem Verkehrskollaps und dem Wasserverbrauch der Fabrik. Alle skandieren sie: "Wir sind hier, wir sind laut, weil Tesla uns das Wasser klaut."
Ein paar hundert Meter weiter heißt das: "Weil Tesla uns die Zukunft baut". Auch die Tesla-Fans haben zu einer Demonstration geladen. Eine Handvoll teurer Elektroautos rollt geräuscharm auf den Parkplatz. Es wird in den Motorraum ohne Motor geschaut, aufklappbare Sitze im Kofferraum bestaunt. Auf den Autos kleben Plakate mit dem Slogan "Grünheide for Future" - der Name der Gegendemonstation gegen die Gegendemonstration sozusagen. Es ist kompliziert geworden dieser Tage im beschaulichen Grünheide.
Dagegen, dafür: Es ist kompliziert
Den Bürgermeister Arne Christiansen überraschen die Proteste nicht. Bei Neuerung, Änderung und auch Fortschritt, sagt er, sei Skepsis nie weit. Er ist sich nicht nur sicher, dass die Gigafactory kommt, sondern auch, dass seine Bürger grundsätzlich für das Werk seien. Mantra-artig betont er deshalb, dass es sich bei besagtem Waldstück um einen "erntereifen, minderwertigen Nutzforst" handle. Also um Bäume, die einzig und allein für den Zweck ihrer Rodung gepflanzt worden seien.
Frank Gersdorf von der Bürgerinitiative gegen Tesla hält dagegen und zeigt bei einem Waldspaziergang auf kleine Laubbäume, die zwischen all den Kiefern anwachsen. Lässt an Moos riechen und die Natur genießen. Tesla selbst hat zwar zugesichert, drei Mal so viel Mischwald aufzuforsten. Warum man Bäume aber für den Klimaschutz rodet, bleibt den meisten Demonstrierenden dennoch ein Rätsel: Elektroautos - damit rette man doch nicht das Klima.
Das Raumschiff Tesla lässt noch auf sich warten
Tatsächlich aber ist der Wald, wo Tesla bauen möchte, nicht nur ein Nutzforst. Der Boden ist laut Untersuchungen mit Quecksilber und Blei belastet. Aus dem Zweiten Weltkrieg liegt noch zahllose Munition unter der Erde. Tatsächlich sollte hier schon einmal vor zwanzig Jahren ein Autobauer hin. BMW ging dann doch nach Leipzig. Das bewaldete Industriegebiet blieb leer. Seitdem müsse doch jedem Grünheider klar gewesen sein, meint Bürgermeister Christiani, dass hier mal was hinkomme.
Als das Tesla Informationsbüro eröffnet, verteilen einige den immer gleichen Zettel an Medien und Bürger: Die Presserklärung des lokalen Wasserversorgers, der vor dem gigantischen Wasserbedarf der "Gigafactory" warnt. Das noch ungelöste Problem wird zum dominierenden Thema der Gegner: Bürger streiten über Kubikliter, über Trichter und Grundwasserspiegel.
Gerne würde man wegen der Sache mit dem Grundwasser Tesla selbst fragen. Doch - außer in Form eines Autos - hat es Tesla selbst nicht zum Informationsbüro nach Grünheide geschafft. Medienanfragen bleiben unbeantwortet. Und so ist das Raumschiff Tesla noch gar nicht richtig gelandet.