Internationale Diebesbanden: Polizei zieht sich aus dem Ausland zurück
Das Verbrechen ist international - ein EU-Modellprojekt war es auch, bis vor kurzem. Polizisten mehrerer Länder jagten Auto-Diebesbanden, ihre Bilanz beeindruckend: 2.255 Strafverfahren, 767 Tatverdächtige, Fahrzeuge im Wert von fast 60 Millionen Euro wurden sichergestellt. Sogar einen deutschen Polizisten, der selbst zum Autoschieber geworden war, konnten die Ermittler vor Gericht bringen. Doch jetzt ist das EU-Projekt ausgelaufen und wird nicht wie zuvor fortgesetzt - Ermittler sind frustriert.
Ein Polizist als Autodieb
Es ist kurz nach Weihnachten 2017, als sich zwei deutsche Ermittler auf einem LIDL-Parkplatz in Berlin Rudow einem Golf GTI nähern, der als gestohlen gemeldet ist. Am Auto entdecken sie eine verdächtige Person, die Gegenstände in den Golf räumt. Die Überraschung: Der Verdächtige ist selbst Polizist - Polizeioberwachtmeister Rolf L. Später erklärt L. in einem Verhör, ein Unbekannter habe ihm den Wagen zum Kauf angeboten. Er habe ihn für eine Probezeit kostenlos testen dürfen.
Einen weiteren Schlüssel für einen Range Rover, den die Ermittler bei der Durchsuchung seiner Wohnung entdecken, habe er auf der Straße gefunden und noch nicht die Zeit gehabt, ihn abzugeben. Im Durchsuchungsprotokoll, das Panorama und der ZEIT vorliegt, notiert ein Ermittler, die Aussagen von L. hätten "durchweg unglaubwürdig und teils widersprüchlich" gewirkt. Dann beschlagnahmen die Ermittler noch sein Handy.
Organisierte Autoschieber-Banden
Die Polizei lässt Rolf L. wieder frei und überwacht ihn über Monate. So stoßen die Ermittler auf ein Netzwerk von Dieben, Fälschern und Betrügern. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gewerbsmäßige Bandenhehlerei vor. Der Polizist Rolf L. soll Teil einer international operierenden Autoschieber-Bande gewesen sein, die Autos von Jaguar und BMW, Volkswagen und Range Rover, Mazda und Toyota gestohlen haben. Die Gruppe soll Papiere gefälscht haben und die Autos dann im In- und Ausland verkauft haben. Es soll Deals in Italien, Frankreich und den Niederlanden gegeben haben. Rolf droht eine mehrjährige Haftstrafe, in der Gerichtsverhandlung bezeichnet er sich als "Mitläufer".
EU-Erfolgsprojekt Limes wird eingestellt
Die Ermittler konnten die Gruppe auch deshalb aufspüren, weil sie durch ein EU-Projekt mit Polizisten aus Polen, Tschechien, Litauen, Lettland, Estland, Schweden und von Europol direkt und unbürokratisch zusammenarbeiteten. Sie konnten über Grenzen hinweg agieren, auch bei operativen Einsätzen, wenn etwa Täter im Ausland observiert und Verstecke durchsucht wurden. Die Zahl der Autodiebstähle ist auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 20 Jahren.
Doch das EU-Projekt "Limes", woraus diese Zusammenarbeit finanziert wurde, ist Ende September 2019 ausgelaufen. Weiteres Geld für eine großangelegte Zusammenarbeit gibt es erstmal nicht. Zwar bleiben die Netzwerke zwischen den Ermittlern vorläufig noch bestehen, aber Polizisten geben zu, dass nun "bestimmte Maßnahmen nicht mehr möglich sind" und man "jetzt nicht mehr an bestimmte Ermittlungsergebnisse aus dem Ausland kommt".
Dauerhafte Finanzquellen gefordert
Obwohl man also endlich ein gutes Rezept gegen den Autodiebstahl gefunden hat, wird es nicht umgesetzt. Denn Bundesländer, Bundesregierung und EU sind sich uneins, wer ein solch erfolgreiches Modellprojekt im Regelbetrieb finanzieren müsste. Für den FDP Bundestags-Abgeordnete Benjamin Strasser zeigt das Beispiel systematisch, dass die in der EU übliche Finanzierung über Projekte Schwächen habe: "Wir haben in Europa das Problem, dass grundsätzlich die Kriminalitätsbekämpfung in jedem Land anders organisiert ist. Es kann nicht sein, dass erfolgreiche Projekte wie 'Limes' nur so lange laufen, so lange Geld da ist. Grenzüberschreitende Fahndung muss sich auf Dauerhafte Finanzquellen verlassen können."
Aktuell wird auf EU-Ebene gerade über den neuen EU-Haushalt verhandelt und damit auch festgelegt, wie viel Geld für Polizeiarbeit zur Verfügung steht. Laut einem internen Vermerk, der Panorama vorliegt, befürchtet das Bundesinnenministerium offenbar, dass die Finanzierung nicht ausreichend sei. Es seien "deutliche Auswirkungen" auf die "Funktionsfähigkeit von Strafverfolgungsbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten" zu erwarten, heißt in dem Papier vom September 2019.
Auf Nachfrage verweist das BMI verweist darauf, dass die Verhandlungen zum EU Haushalt noch laufen, man könne offiziell also noch keine Bewertung vornehmen. Immerhin das BMI werde sich für eine Stärkung von Europol einsetzen, heißt es. Derzeit ist aber noch nichts über Verhandlungsfortschritte bekannt.