Trotz Ermittlungen: Bauernverband bleibt stur
Im Mai durchsuchen 500 Beamte zeitgleich sechs große Agrarbetriebe in der Pfalz. Es ist eine der größten Razzien in der Geschichte von Rheinland-Pfalz. Der Verdacht lautet, die Gemüsebauern hätten den Mindestlohn nicht bezahlt und die Sozialabgaben für ihre Erntehelfer nicht abgeführt. Den Bauern drohen bei Verurteilung hohe Geldstrafen oder gar Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren.
Lohnabrechnung systematisch so gestaltet?
Bei fast allen durchsuchten Betrieben handelt es sich um wichtige Lieferanten von Lidl. Sie versorgen den Discounter mit Möhren, Salat, Radischen, Zwiebeln oder auch Sellerie. Gemüse, das bei Lidl besonders billig ist und das gern mit dem Slogan "Qualität aus Deutschland" beworben wird. Qualität kommt hier wohl tatsächlich von Qual, denn laut Verdacht der Staatsanwaltschaft werden die Erntehelfer für die Produktion ausgebeutet, der Mindestlohn werde nicht gezahlt: "Wir gehen nicht von einigen wenigen Einzelfällen aus, sondern der Verdacht geht dahin, dass die Lohnabrechnung systematisch so gestaltet ist", sagt der leitende Oberstaatsanwalt Dr. Udo Gehring von der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern.
Lidl möchte sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren "gegen einzelne Agrarbetriebe, die branchenweit beliefern" zu den Vorwürfen nicht äußern.
Vorwürfe nicht neu
Die Vorwürfe gegen die Zustände in der Gemüseproduktion sind dabei nicht neu. Bereits vor zwei Jahren hatten Panorama-Reporter mit Erntehelfern gesprochen. Diese berichteten schon damals, dass sie nicht pro Stunde, sondern pro Kiste bezahlt werden. Pro Kiste bekämen sie etwa 2 Euro. In zehn Stunden schafft ein Anfänger etwa 30 Kisten, also einen Stundenlohn von etwa 6 Euro. Das wäre also unter dem Mindestlohn. Eine Erntehelferin berichtet, dass sie oftmals nur 20 Kisten schaffe. Das wären sogar nur 3 bis 5 Euro die Stunde. Der Mindestlohn liegt heute bei 8,50 Euro.
Das Problem: Durch die niedrigen Löhne können manche Betriebe billiger produzieren. Ehrliche Bauern, die sich an die Gesetze halten, können da kaum noch mithalten. Klaus Beiswenger aus Bayern etwa. Er produziert Gurken, doch die Preise sind so niedrig, dass er kaum noch überleben kann. "Wenn es zwei oder drei schwarze Schafe unter den Bauern gibt, reicht das schon. Die machen den ganzen Markt kaputt", sagt der Gurkenlieferant Beiswenger.
Was tut der Bauernverband gegen Lohndrücker?
Umso mehr wünscht Beiswenger sich, dass sein eigener Verband, der Deutsche Bauernverband, mehr tun würde gegen die Lohndrücker. Doch Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes bestritt bisher immer in der Öffentlichkeit, dass es das Problem gibt. "Ich gehe davon aus, dass die deutschen Landwirte den Mindestlohn bezahlen", sagte er bereits 2015. Auch heute bleibt er bei dieser Haltung: "Wir haben Gesetze, die sind einzuhalten", sagt Rukwied. Davon, dass Bauern dagegen verstoßen und die Kollegen vom Markt verdrängen, will er aber weiterhin nichts gewusst haben.
Klaus Beiswenger hält das für unglaubwürdig: "Ich denke, auch Herr Rukwied weiß, wie die Realität aussieht." Ein Verband, der sich für seine Mitglieder einsetzt, sieht für ihn sicher anders aus.