SPD: Die Bilanz von Hannelore Kraft
Es sind zwei Worte, die Martin Schulz in seinen Reden immer wiederholt: "Gerechtigkeit" und "Respekt". "Wenn wir in diesem blühenden Land von Gerechtigkeit reden, dann beginnt die Gerechtigkeit mit dem Respekt", sagte Schulz jüngst auf dem Politischen Aschermittwoch der SPD in Nordrhein-Westfalen. Deren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft dürfte diese Begriffe nur allzu gut kennen. Sie verwendete sie in ihren Wahlkämpfen 2010 und 2012. "Respekt für ein NRW, in dem Arbeit wieder fair bezahlt wird. Für ein soziales, gerechtes NRW", hieß es im Wahlkampfspot der NRW-SPD 2010.
Hoffnung allein reicht nicht
Die SPD sei die "Kümmerer-Partei", sagte Hannelore Kraft. Ähnlich wie Schulz war sie damals eine Hoffnungsträgerin der SPD, die die Menschen begeisterte. Doch inwieweit ist sie den Erwartungen gerecht geworden? Hat sie sich genug gekümmert?
Spricht man mit ehemaligen Mitarbeitern von Opel in Bochum, sagen die fast schon erwartungsgemäß: Nein. Uwe B. zum Beispiel, der 2014 seinen Job verlor, inzwischen aber wieder eine neue Arbeit gefunden hat. Er erinnert sich noch sehr gut an die Betriebsversammlung, bei der Hannelore Kraft im Mai 2012 versprach, für den Standort kämpfen zu wollen. Sie habe Hoffnung geweckt und sich dann nicht mehr blicken lassen. "Ich denke mal, dass die Sache einfach zu groß war - nur für eine Ministerpräsidentin. Aber dann hätte sie das sagen sollen - und nicht einfach abtauchen und weg sein."
Kraft bleibt hinter den Erwartungen
Hannelore Kraft ist in ihrer Amtszeit so manches Mal abgetaucht. Nach Silvester-Ereignissen von Köln schwieg sie über eine Woche, und nach den schweren Überschwemmungen in Münster 2014 steckte sie angeblich in einem Funkloch. Letzteres kann passieren. Doch das Bild der Kümmerin hat über die Jahre gelitten. Auch, weil die sozialpolitischen Erfolge weit hinter den Erwartungen zurückblieben.
Natürlich kann eine Ministerpräsidentin nicht die komplette Welt retten, dafür ist der Handlungsspielraum einer Landesregierung zu gering. Doch wer Erwartungen weckt, muss sich den Zahlen stellen.
NRW wird zum "kranken Mann"
Die Armutsgefährdungsquote ist in der Regierungszeit von Hannelore Kraft ebenso gewachsen wie die Kinderarmut, die in Nordrhein-Westfalen von 17 Prozent in 2011 auf 18,6 Prozent in 2015 stieg, wie die Bertelsmann Stiftung im vergangenen Jahr feststellte. Das ist jene Bertelsmann Stiftung, die Partner in Hannelore Krafts Projekt "Kein Kind zurücklassen" ist. Über den Erfolg kann man noch nicht allzu viel sagen. Das Projekt sei immer langfristig angelegt gewesen, sagte Kraft 2016.
Ein Jahr zuvor hatte sie den Tiefpunkt ihrer Amtszeit erreicht: null Prozent Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. Nordrhein-Westfalen galt als der "kranke Mann" Deutschlands.
Die Schulzwelle rollt
Zwar sind die Zahlen inzwischen besser geworden. Doch dümpelten Hannelore Kraft und ihre SPD noch Anfang des Jahres in den Umfragen bei 30 Prozent.
Dank Martin Schulz ist Kraft nun wieder obenauf. Und verspricht wieder Großes: Respekt und soziale Gerechtigkeit. Zu einem Interview mit Panorama war sie nicht bereit. Die Schulzwelle rollt. Da soll offenbar niemand stören.