Deutsche Frauen: Bedroht von "lüsternen Flüchtlingen"?
Es ist ein Gerücht, das sich über Wochen gehalten hat: In Donaueschingen soll ein Flüchtling eine deutsche Frau vergewaltigt haben. In einer Version der Geschichte sollen es gleich mehrere Flüchtlinge gewesen sein. In einer anderen Version sollen dem Opfer nach der Tat sogar noch die Ohren abgeschnitten worden sein. Die Polizei erhielt zahlreiche E-Mails, Polizisten wurden während ihrer Streife angesprochen, Bürger fragten am Telefon nach dem Wahrheitsgehalt dieses Gerüchts.
Die Polizei ermittelte und stellte am Ende fest: Nichts dran an dem Gerücht. Doch selbst ohne ein Körnchen Wahrheit konnte es sich verbreiten. "Gerade Donaueschingen hat die Asylbewerber mit einer großen Willkommenskultur aufgenommen und die Kleinstadt hat einen Helferkreis Asyl und viele, viele ehrenamtliche Helfer, die hier sehr bemüht sind. Meine Befürchtung war, dass diese Bemühungen durch so ein Gerücht entsprechend konterkariert werden", sagt der Leiter des Polizeireviers in Donaueschingen, Jörg Rommelfanger.
Gerüchte werden gezielt gestreut
In Dortmund verbreitete das der Partei "Die Rechte" nahestehende "Dortmund Echo" die Meldung, in Lünen sei eine Frau von mehreren Flüchtlingen vergewaltigt worden. Tausendfach sprach es sich im Netz herum, und auch hier ermittelte die Polizei. Im Ergebnis war wie in Donaueschingen nichts dran. "Wenn Sie sich die Kommentare ansehen bei dieser Seite, dann muss man ganz klar sagen, es werden Stimmungen bedient. Denn es gibt viele Stimmen, die sagen: 'Genau das habe ich schon immer gewusst!' All das bedient einfach nur Klischees von Rechtsextremisten", sagt Polizeisprecher Oliver Peiler.
"Im Moment sind diese Vergewaltigungsmythen hochattraktiv, weil ich mit ihnen Menschen massiv verunsichern kann, und das Interessante ist, das Gerüchte die Neigung haben, sich zu verselbstständigen", sagt Prof. Andreas Zick, Sozialpsychologe und Konfliktforscher an der Uni Bielefeld. Denn ist so ein Gerücht erstmal in der Welt, dann bleibt immer etwas hängen, so offenbar das Kalkül der Täter. Denn sie wissen: Mit der Angst vor jungen Männern aus muslimischen Ländern lässt sich Stimmung machen.
Die alte Angst vorm fremden Vergewaltiger
Das weiß offenbar auch Björn Hecke von der AfD in Thüringen. Auf einer Demonstration vor drei Wochen sprach er von den "Angsträumen", die für blonde Frauen immer größer würden. Was er nicht sagt: Flüchtlinge und Ausländer sind bei Sexualdelikten nicht auffälliger als Deutsche. Daran haben auch die vielen Flüchtlinge in Deutschland nichts geändert. Das bestätigt der Bund der Kriminalbeamten.
Der Fremde und die Frauen, es ist ein Thema, das in Deutschland Geschichte hat und das schon immer zur Stimmungsmache genutzt wurde. "Viele Menschen glauben daran, dass Deutschland über eine homogene Volksgemeinschaft verbunden ist und dass diese Volksgemeinschaft nicht nur Werte teilt, sondern auch natürliche Merkmale. Und jetzt befürchten diese Menschen, dass mit der Zuwanderung diese Volksgemeinschaft in Gefahr ist", so Zick.
Prominente Frauen werden zu Hassobjekten
Und jeder, der sich für eine Willkommenskultur ausspricht, wird zum Hassobjekt dieser Gruppen. Wie zum Beispiel ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Sie sprach sich für ein weltoffenes Deutschland aus und erhielt wüste Beleidigungen per E-Mail, Twitter und Facebook. So ging es auch anderen prominenten Frauen wie Grünen-Politikerin Claudia Roth oder Panorama-Chefin Anja Reschke nach ihrem vielbeachteten Tagesthemen-Kommentar.
Auffällig ist, dass sich in vielen dieser Hasskommentare Vergewaltigungsphantasien widerspiegeln. "Lass dich vergewaltigen, du Negerhure", so oder ähnlich lauten Dutzende Zuschriften. Aus Sicht von Rechtspopulisten stellen Frauen wie Hayali, Roth und Reschke eine Gefahr für den "deutschen Volkskörper" dar. "Erstaunlicherweise kommt das ja immer von Leuten, die fremden Menschen, Ausländern, Flüchtlingen vorwerfen und unterstellen, dass sie eine Gefahr für die deutsche Frau wären", bemerkt Claudia Roth, "und die dann genau diese Phantasien, die sie anderen unterstellen, selber praktizieren."