Sendedatum: 06.03.2014 22:00 Uhr

Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten?

von Nils Casjens, Polina Davidenko, Johannes Edelhoff, John Goetz & Johannes Jolmes

Die Revolution in der Ukraine: Erkämpft von den Menschen, die monatelang auf dem Kiewer Maidan gegen die korrupte Regierung von Viktor Janukowitsch protestierten. Der größte Teil der Demonstranten auf dem Maidan kämpft seit Ende November 2013 für eine demokratische und freiheitliche Ukraine, in der sich Politiker und Oligarchen nicht wie bisher auf Kosten des Volkes selbst bedienen.

VIDEO: Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten? (6 Min)

Doch von Anfang an spielen auch rechtsextreme Kräfte auf dem Maidan eine wichtige Rolle: Die ultranationalistische Partei Swoboda (Freiheit), die mit gut zehn Prozent der Stimmen in der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, sitzt, ist seit Beginn der Proteste ein wichtiger Akteur, neben Wladimir Klitschkos Udar und Julija Timoschenkos Vaterlandspartei.

Oppositionsbündnis mit Swoboda

Klitschko und die Vaterlandspartei sind ein offizielles Bündnis mit Swoboda eingegangen, die in Deutschland gute Kontakte zur NPD pflegt. So empfing zum Beispiel die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag im Mai letzten Jahres eine Swoboda-Delegation.

Swoboda selbst stellt nun mehrere Regierungsmitglieder, darunter den Vizechef der Regierung und den Generalstaatsanwalt. Der Chef des "Rechten Sektor", Dmitrij Jarosch, ist nun Vizechef des nationalen Sicherheitsrates, der wiederum vom Sicherheitsbeauftragten des Maidan, Andrej Parubi, geleitet wird - auch er ein Swoboda Gründungsmitglied. Parteichef Oleh Tjahnibok schimpfte einst über die "russisch-jüdische Mafia", die die Ukraine kontrolliere.

Was sagte Oleh Tjahnibok 2004?
Oleh Tjahnibok, Parteichef der nationalistischen ukrainischen Swoboda-Partei. © dpa / picture-alliance Foto: Igor Kovalenko

"Judenschweine bekämpfen": Aufruf oder Nacherzählung?

Panorama hat nach Zuschauer-Hinweisen ein im Film gezeigtes Zitat erneut übersetzen lassen. Es geht darum, was der Chef der ukrainischen Partei Swoboda, Oleh Tjahnibok, 2004 genau gesagt hat. mehr

Radikale, paramilitärische Kräfte

Doch neben Swoboda sind auf dem Maidan sogar noch radikalere Kräfte aktiv: So zum Beispiel die zu allem entschlossenen, paramilitärisch organisierten Gruppen des "Rechten Sektors". Dieser formierte sich um den Neonazi Dmitrij Jarosch erst im November 2013 im Rahmen der Proteste. Ihm gehören vor allem Mitglieder neonazistischer Vereinigungen an. Auf der Webseite prahlen einzelne Mitglieder mit ihren angeblichen oder tatsächlichen Kampferfahrungen in Tschetschenien oder im Kosovo.

Dmitrij Jarosch
Dmitrij Jarosch, Chef des "Rechten Sektor", ist nun Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates.

Für die Vertreibung des alten Regimes Ende Februar 2014 waren die auf den Barrikaden meist an vorderster Front kämpfenden Truppen des "Rechten Sektors" mit entscheidend. Demzufolge betrachten sie in ihrer eigenen Propaganda die Ereignisse auch als ihre "nationale Revolution". Die Mitglieder sind auch Teil des "Selbstschutzes des Maidan", der seit dem Umsturz in Abwesenheit der Polizei als Sicherheits- und Ordnungskraft in Kiew agiert.

Auch der Osteuropa-Experte Alexander Rahr sieht den "Rechten Sektor" als einen der wichtigen Akteure des Maidan: "Der rechte Sektor war aus meiner Sicht entscheidend für den Umsturz, weil er eine Organisation ist, die auch bereit war, in Kampfhandlungen mit den Polizisten, mit den Sicherheitskräften einzutreten. Sie waren gut organisiert, sie hatten auch immer wieder einen Plan, wie sie angriffen, wie sie sich verteidigten, so dass sie einen großen Anteil am Erfolg des Maidans gehabt haben."

Weitere Informationen
Fahnen der nationalistischen ukrainischen Swoboda-Partei.

Was hinter der Swoboda-Partei steckt

"Swoboda" wurde 1991 gegründet, unter dem Namen "Sozial-Nationale Partei der Ukraine". 2004 wurde der Name geändert, um mit moderateren Tönen nach dem Vorbild der österreichischen FPÖ neue Wählerschichten zu erschließen. Historisch bezieht sich Swoboda auf die "Organisation der Ukrainischen Nationalisten" (OUN) unter Stepan Bandera. In der Westukraine wird er als Freiheits- und Unabhängigkeitskämpfer verehrt, während er im Süden und Osten des Landes zumeist als Nazi-Kollaborateur gilt. mehr

Teilnehmer einer Trauerfeier in der Ukraine in der Uniform der Division "Galizien" der Waffen-SS. © YouTube Screenshot

Abgeordneter von ukrainischer Regierungspartei ehrt Waffen-SS

Ein Parlamentsabgeordneter der ukrainischen Regierungspartei Swoboda hat offenbar im Sommer 2013 an einer Zeremonie zu Ehren der Gründung der ukranischen Division der Waffen-SS teilgenommen. mehr

ARD-Brennpunkt

Brennpunkt: Ukraine vor der Spaltung

Ist die Spaltung der Ukraine noch zu stoppen? Wie reagiert Kiew? Welche Optionen hat die ukrainische Übergangsregierung überhaupt? Steht Europa vor einem zweiten Kalten Krieg? extern

Publikative.org: Maidan - Die Revolution ist vorbei

Maidan - Die Revolution ist vorbei: Auf dem Maidan versammelte sich ein Querschnitt der Bevölkerung. Das heißt natürlich: auch Nazis. Von Anfang an fehlte der Protestbewegung eine Abgrenzung und Distanzierung von der extremen Rechten. extern

Dossier: Krise auf der Krim

Seit dem Machtwechsel in Kiew ist die Krim Schauplatz eines gefährlichen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Hintergründe, Analysen und Meinungen zu den Entwicklungen auf der Halbinsel. extern

Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten?

Der Panorama-Beitrag vom 06. März 2014 als PDF-Dokument zum Download. Download (189 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.03.2014 | 22:00 Uhr

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?