Lokführer: Gewerkschaft außer Rand und Band
Es ist eine kleine Minderheit, die auch an diesem Mittwoch und Donnerstag mal wieder Millionen Pendler in den Wahnsinn getrieben hat: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat auch diese Woche wieder gestreikt und legt damit die Republik lahm. Doch trotz der damit verbundenen, massiven Verspätungen für viele Pendler unterstützt die Mehrheit der Deutschen laut ARD-Deutschlandtrend den Streik der Lokomotivführer - wie sie schon oft getan haben.
Eine ganz besondere Gewerkschaft
Der Vorläufer der GDL, der Verein Deutscher Lokomotivführer, ist eine der ältesten Gewerkschaften Deutschlands, und die Eisenbahn ist neben dem Auto des Deutschen liebstes Kind. Und das, obwohl die GDL in den letzten Jahren ganz besonders eigenwillige Gewerkschaftsführer hatte. Unvergessen ist der ein halbes Jahr andauernde Arbeitskampf unter Manfred Schell 2007/2008, mit dem die GDL aus der Tarifeinheit der Deutschen Bahn ausscherte und sich einen eigenen Tarifvertrag nur für ihre Lokführer erkämpfte. Auf die Kritik der anderen Gewerkschaften, wo denn die Solidarität untereinander bliebe, sagte der damalige Vorsitzende Schell: "Was interessiert es eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau daran kratzt? Die sollen gucken, dass sie mit dem Arbeitgeber zu Rande kommen und sollen uns in Ruhe lassen."
Wer darf für wen verhandeln?
Wer dachte, dass unter dem neuen GDL-Chef Claus Weselsky etwas Ruhe einkehren würde, sieht sich nun getäuscht: "Der Lokomotivführer ist nicht nur ein Beruf, sondern das ist eine Berufung", sagt Weselsky und will die Macht der Lokführergewerkschaft sogar noch ausbauen. Entgegen jeglicher gewerkschaftlicher Solidarität wildert er nun im Terrain der konkurrierenden Bahngewerkschaft EVG. Weselsky will nicht mehr nur für die Lokomotivführer verhandeln, sondern für das gesamte Zugpersonal (Zugbegleiter, Bordgastronomen, Lokrangierführer sowie Disponenten und Trainer) - obwohl die EVG in den einzelnen Berufsgruppen nach eigenen Angaben wesentlich besser organisiert ist. Weselsky bestreitet das und verweist dagegen auch im Interview mit Panorama einmal mehr auf einen Organisationsgrad von 51 Prozent der GDL beim Zugpersonal insgesamt. Er leitet daraus den Anspruch ab, auch z.B. für die Zugbegleiter verhandeln zu dürfen.
Die Bahn lehnt einen solchen Vertretungsanspruch für andere Berufsgruppen ab. Deswegen lässt Weselsky nun erst einmal streiken - ohne dass man bisher über irgendwelche Lohnerhöhungen verhandelt hat. Das geht selbst Vorgänger Manfred Schell zu weit. Er befürchtet, dass die GDL durch das gelebte Ego ihres amtierenden Vorsitzenden auf Dauer schwer geschädigt ist. Weselsky ficht das nicht an. Zur Kritik Schells schweigt er und bleibt stur weiter auf Konfrontationskurs.