Stand: 01.08.2013 14:00 Uhr

Knastgewalt: Ein Interview mit den Autoren

von Andrej Reisin

Was denken Sie als Autoren, was notwendig wäre, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen?

Friedrichs: Bei Gesprächen mit Beamten wurde mir sehr häufig gesagt: "Ich habe nicht weiter nachgefragt, woher das blaue Auge kommt". Oder "ja, ich habe gefragt und der Gefangene gab mir keine Antwort. Daraufhin habe ich kein zweites Mal gefragt". Die Antwort auf die Frage, warum nicht mehr nachgehakt wurde, war immer die gleiche: Angst vor mehr Arbeit, Angst in etwas hineingezogen zu werden, keine Zeit und kein Kopf für solche Dinge, weil die Arbeit des Tages erledigt werden muss. Ich denke daher, dass viele Probleme durch Aufstocken des Personals minimiert werden könnten. Wenn ein Beamter die nötige Zeit hätte und ausreichend Rückendeckung von Kollegen und Vorgesetzten, dann könnte viel mehr der verborgenen Gewalt gesehen - und bekämpft werden.

Deker: Die Justizvollzugsanstalten versuchen in unterschiedlichem Maße, mit Präventionsprogrammen, Antigewalttrainings und Schulung der Beamten der Gewalt zu begegnen. Teilweise sind Programme wie Antigewalttrainings erfolgreich, die aber nur vereinzelt angeboten werden und deren Finanzierung auch immer wieder in Frage gestellt wird.

In erster Linie müsste die Politik den Strafvollzug finanziell deutlich besser ausgestatten. Die Vollzugsanstalten könnten dann mehr in sinnvolle Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten investieren, mehr Sozialarbeiter und Psychologen einstellen. Außerdem sagen die Wissenschaftler, dass große, anonyme und überfüllte Anstalten das Gewaltproblem erheblich verschärfen. Das bedeutet, dass die Gefängnisse eher klein und überschaubar werden müssen.

Eine weitere Möglichkeit für Richter wäre es, Straftäter erst gar nicht in Haft zu schicken, soweit dies möglich ist. Denn rund 80 Prozent der zu Bewährungsstrafen Verurteilten werden nicht rückfällig. Wer dagegen vor seiner Haft noch nie etwas mit Gewalt zu tun hatte, wird nach Verbüßung der Haftstrafe nicht selten dann auch in Freiheit zum Gewalttäter. Das ist ein "Drehtüreffekt", der das Gegenteil von dem bewirkt, was wir uns als Gesellschaft vom Strafvollzug eigentlich versprechen.

Naber: Im Jugendstrafvollzug landen oft junge Menschen, die in ihrem jungen Leben durch familiäre Umstände oder Ähnliches nie auf der richtigen Bahn waren. Oft hatten die nie positive Vorbilder. Gewalterfahrungen haben viele bereits zuhause gesammelt. Es ist notwendig, dass diese Menschen lernen, dass auch ein Leben ohne Gewalt und Kriminalität möglich ist. Die Schweiz kann uns hier beim Jugendstrafvollzug als Vorbild dienen. Hier landen Jugendstraftäter zunächst in Einrichtungen, die ihnen Beschäftigungs- und Therapieangebote machen. Mit erstaunlichem Erfolg.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 01.08.2013 | 21:45 Uhr

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