Rotlicht: Die verlogene Kampagne gegen die Prostituierten
"Ich bin kein Opfer. Ich möchte nicht als Opfer stigmatisiert werden. Ich möchte selber entscheiden was ich möchte, wie ich es möchte und wie ich lebe. Die Verantwortung dafür trage ich selber!", sagt die Bulgarin Milena (39), die seit 17 Jahren als Prostituierte in Berlin arbeitet. Sie hatte genug Optionen, arbeitete zuvor als Altenpflegerin. Die Arbeit war ihr zu hart, es gab zu wenig Geld - "keine Erfüllung". "Der Beruf als Prostituierte erfüllt mich, er macht mir Spaß, die Freier bringen mir Respekt entgegen, etwas, was ich in der jetzigen Situation bei den Politikern und vor allem bei Alice Schwarzer schmerzlich vermisse."
Kampagne zur Abschaffung der Prostitution
In einer großen Kampagne kämpft Alice Schwarzer derzeit für die Abschaffung der Prostitution, im Verbund mit zahlreichen konservativen Politikern wie dem CSU-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Uhl. Ihr Hauptargument: Nahezu alle Frauen, die sich prostituieren, täten dies unter massivem Druck und unter menschenunwürdigen Bedingungen. Kurzum: 90 Prozent der Frauen seien Zwangsprostituierte. Insofern sei die Abschaffung der Prostitution gleichzusetzen mit der Abschaffung der Sklaverei. Und auch CSU-Mann Uhl spricht davon, dass Prostituierte in aller Regel hilflos der Gewalt von Bordellbetreibern ausgesetzt seien.
Aber inwiefern spiegeln diese Bilder die Wirklichkeit?
Sicher gibt es Zwangsprostitution, aber genauso sicher gibt es viele Frauen wie Milena, die sich frei für ihre Arbeit entschieden haben, und deren Zwangssituation sich in ihrer Wahrnehmung auch nicht von der anderer Berufstätiger unterscheidet, die für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.
Selbstbestimmte Sex-Arbeiterinnen
Kürzlich war Milena auf einer Podiumsdiskussion und hat Alice Schwarzer ihre Sicht der Dinge erzählen wollen. Doch die Feministin ließ sie nicht ausreden, kanzelte die Bulgarin "als unglaubwürdig" ab, so wie sie es mit allen Frauen tat, die ihr auf der Veranstaltung versuchten zu erklären, dass es durchaus viele Frauen gibt, die sich freiwillig und selbstbestimmt für den Beruf als Prostituierte entschieden haben. Für die Frauen, die sich heutzutage selbstbewusst Sex-Arbeiterinnen nennen, um zu verdeutlichen, das sie arbeiten und natürlich auch ökonomische Gründe dahinter stehen können, ist es derzeit befremdlich, wie sie von Schwarzer in Allianz mit "erzkonservativen Kräften" und unbedarften Prominenten bevormundet werden."Ich will ihre Fürsorge nicht, und ich brauche sie auch nicht. Ich bin kein Opfer. Ich weiß, was ich tue", so die studierte Physikerin Undine de Revière (40), die sich sehr bewusst für die Prostitution entschieden hat, wie so viele ihrer Kolleginnen.
Alles hänge von der Freiwilligkeit ab. Und wer definiert was freiwillig ist? "Wenn man sich bewusst für die Prostitution entschieden hat, dann ist sie freiwillig, egal, ob man dies aus Spaß macht oder aus ökonomischen Gründen. Das ist wie bei jedem anderen Beruf auch", so die Hamburger Prostituierte Johanna Weber. Das, was jetzt geschehe, die Forderung, Prostitution abzuschaffen, so wie es Schwarzer und mit ihr Politiker und Prominente fordern, habe nichts mit der Bekämpfung der Zwangsprostitution zu tun, sondern diene nur der Durchsetzung anderer Moralvorstellungen.
Schwierige Strafvorschrift
In den Koalitionsverhandlungen wurde zwar nicht beschlossen die Prostitution abzuschaffen, aber die Moralwächter haben sich in einem Punkt schon durchgesetzt: Der Besuch bei einer Zwangsprostituierten soll künftig unter Strafe gestellt werden, Freier also bestraft werden. Aber wie soll der Freier feststellen, ob er bei einer Zwangsprostituierten ist? Auch das Bundeskriminalamt hält eine solche Strafvorschrift für schwierig. Ganz abgesehen davon, dass eine mögliche Freier-Bestrafung auch negative Effekte haben kann. Oft waren es in der Vergangenheit Freier, die die Polizei auf Straftaten aus dem Bereich der Zwangsprostitution hingewiesen haben. Aber welcher Freier wird das noch tun, wenn er fürchten muss, selber belangt zu werden?