Gefahr beim Augenlasern: Rendite statt Medizin
Bei Familie Weinberger sind auch mittags die Rollläden geschlossen. Und selbst dann trägt Andreas Weinberger noch eine Sonnenbrille. Seine Augen sind extrem lichtempfindlich, nachdem er sich operieren ließ. Er wollte keine Brille mehr und machte einen Termin für ein Beratungsgespräch bei einer Augenlaser-Kette. Von Risiken sei nicht die Rede gewesen. Nun läuft er seit Monaten ständig mit Sonnenbrille rum.
Andreas Weinberger hat sich nicht in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus, sondern in einer Filiale einer Augenlaser-Kette operieren lassen. Sie wirbt mit jahrelanger Erfahrung und modernster Technik. Nachträglich kommt Weinberger einiges merkwürdig vor: Die Beratung für die Operation wurde nur von einer Optikerin durchgeführt. Den Arzt sah er erst, nachdem er das Geld für die Operation schon überwiesen hatte. Außerdem seien ihm gar nicht alle Operationsmöglichkeiten dargestellt worden.
Oerationen im Grenzbereich
Nun vermutet Weinberger, dass er einfach mit dem Lasergerät behandelt wurde, das eben gerade in der Filiale zugänglich war. Gegenüber Panorama wollte sich die behandelnde Firma wegen "laufender gerichtlicher Auseinandersetzungen" nicht äußern.
Andreas Weinberger ist nicht allein mit seiner Kritik an den Augenlaser-Ketten. Auch renommierte Augenärzte haben Zweifel. Professor Thomas Kohnen ist Vorsitzender der Kommission, die die Empfehlungen schreibt, unter welchen Umständen ein Auge gelasert werden sollte. Nach seiner Erfahrung wird manchen Patienten auch noch im Grenzbereich zu einer OP geraten - und manchmal auch darüber hinaus.
Geld statt Gesundheit?
Das Besondere der Augenlaser-Ketten ist, dass sie in der Regel in der Hand eines privaten Investors sind. Die Filialen wirken zwar oft wie eine Arztpraxis, sie sind es aber nicht. Und das sind die Unterschiede: In einer Arztpraxis ist der Arzt der Chef. Ihm unterstehen alle Mitarbeiter, und er trägt die Verantwortung für alle Entscheidungen. Der Arzt verdient das Geld - dafür muss er ständig anwesend sein.
Die Filiale einer Laserkette dagegen leitet in der Regel nicht ein Arzt. Hier hat ein kostengünstigerer Filialleiter das Sagen. Der Arzt wird nur für ein paar Tage im Monat angeheuert, um wichtige Untersuchungen und die Operationen vorzunehmen. Er arbeitet als eine Art freiberuflicher Vertragspartner. Indem die Mediziner nicht durchgängig bezahlt werden, spart die Filiale sich eine Menge Personalkosten.
Provision für jede Behandlung
Doch so entsteht kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und - vielleicht noch gewichtiger - in manchen Ketten wird sogar Provision gezahlt für jedes gelaserte Auge. "Hier entsteht ein großer wirtschaftlicher Druck, der das Medizinische in den Hintergrund drängt", meint Ilona Köster-Steinbach vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Sie hält die Entstehung von solchen Ketten mit Renditeerwartung für eine bedenkliche Entwicklung im Gesundheitssystem in Deutschland. Es gebe gute Gründe, warum Arztpraxen nur von Medizinern geführt werden dürfen.
Die berufsrechtliche Überwachung der Augenlaser-Behandlung in solchen Ketten obliegt den Ärztekammern und deren Bezirksverbände. Doch diese lassen die Ketten eher gewähren, kritisiert Ilona Köster-Steinbach: "Die Ärzte wollen sich das lukrative Geschäft nicht entgehen lassen."
Ärzteverbände sehen keine Aufsichtspflicht
Der angefragte ärztliche Bezirksverband bestätigt zwar gegenüber Panorama, dass "eine rein gewerblich tätige GmbH ohne Krankenhauskonzession ... keine ärztlichen Leistungen anbieten darf". Aber weil es sich um eine GmbH handele, seien sie nicht für die Aufsicht zuständig.
Praktisch für die Laserketten. Die gehen übrigens davon aus, dass sie selbst gar keine ärztliche Leistung erbringen, sondern nur die Ärzte, die bei ihnen freiberuflich tätig sind. Ob diese Ärzte gegen Berufsrecht verstießen, wäre zwar wieder Aufgabe der Ärztekammer. Auskunft über mögliche laufende Verfahren erteilt die Kammer indes nicht.
Und was sagt der Gesundheitsminister? Daniel Bahr bekennt zwar, selber nicht gelasert werden zu wollen - das Risiko sei ihm zu hoch. Doch in den Markt regulierend eingreifen, das wolle er nicht. Der Patient sei schließlich ein mündiger Bürger.