Diebstahl-Verdacht: So wird man Mitarbeiter los
Sie hat ihren Job gern gemacht - Nicole S. arbeitete bei der Drogeriekette Müller, bis sie eines Tages zum Bezirksleiter gerufen wurde. Aus heiterem Himmel konfrontierte der sie mit dem Vorwurf, Geld aus der Kasse genommen zu haben. Sie könne entweder einen Auflösungsvertrag unterschreiben oder bekomme die fristlose Kündigung.
S. fiel aus allen Wolken: "Ich habe nichts gestohlen, viele von uns haben Zugriff auf die Kasse. Das Ganze war einfach nur unheimlich verletzend - das ist der mieseste Vorwurf, den man machen kann." Sie vermutet, dass man sie kündigen wollte, weil sie sich immer wieder für andere Kollegen stark gemacht hatte. Das wollte sie jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen, reichte Klage ein. Und siehe da: Einen Tag vor Prozessbeginn zog die Drogeriekette die Kündigung zurück - offenbar weil sie gar keine Beweise für den Vorwurf hatte. S. arbeitete weiter bei Müller, doch das Vertrauen war zerstört und sie hat sich inzwischen einen neuen Job gesucht.
Kündigung auf Verdacht
Fristlose Kündigung wegen eines Verdachts - immer wieder werden Arbeitnehmer auf dieser Grundlage entlassen. Denn - anders als im Strafrecht - gilt im Arbeitsrecht nicht die Unschuldsvermutung. Entlassen werden können Mitarbeiter schon, wenn ein hinreichend starker Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter eine Straftat begangen haben könnte, so die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Nachgewiesen werden muss dem Betroffenen die Straftat nicht.
Arbeitsrechtler beklagen deswegen, dass die Verdachtskündigung ein Einfallstor ist, um unliebsame, kritische oder gewerkschaftsnahe Mitarbeiter los zu werden. Da werden Verdachtsfälle konstruiert und Angestellten Diebstähle unterstellt - um sie entweder fristlos zu kündigen oder zu einem Auflösungsvertrag zu zwingen. Prof. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen fordert wegen dieses Missbrauchs eine Abschaffung der Verdachtskündigung durch den Gesetzgeber. "Es muss ausgeschlossen werden, dass Unschuldige von einer Kündigung betroffen sind", so Däubler gegenüber Panorama.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Linken bzw. eine Verschärfung der Anforderungen an die Verdachtskündigung, wie von Rot-Grün vorgeschlagen, hatten die Koalitionsfraktionen 2010 abgelehnt.
Verdacht unbegründet
Auch Manuela B. wollte die Geschäftsführung des Hotels Mercure in Regensburg offenbar über eine Verdachtskündigung loswerden. Der Vorwurf: Die 32-jährige Betriebsrätin soll vorgehabt haben Briefmarken im Wert von 4,50 Euro zu stehlen. Einen entsprechenden Hinweis hatte die Geschäftsführung angeblich anonym bekommen und daraufhin ihre Tasche kontrolliert. "Diebstahl wurde mir direkt vorgeworfen", sagt die junge Frau. "Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen und auf einmal diese Situation. Man ist wütend, man ist verzweifelt, man weiß gar nicht, was mit einem passiert." Später erklärte das Gericht den Verdacht gegen Manuela B. als unbegründet. Sie arbeitete noch einige Monate in dem Hotel, ist inzwischen aber in einem anderen Hotel beschäftigt.
Von den Unternehmen wollte sich keines zu den angesprochenen Verdachtskündigungen äußern. Man rede nicht über Personalfragen, heißt es gegenüber Panorama.