Spitzentreffen im Kanzleramt: Energiewende läuft nicht rund
Die Energiewende lässt weiter auf sich warten: Es fehlen tausende Netz-Kilometer, neue Kraftwerke, die die alten Atommeiler ersetzen sollten, werden wegen zu hoher Kosten nicht gebaut und die Integration der mit der Gießkanne geförderten Wind- und Solarenergie misslingt. Panorama hatte bereits im November 2011 kritisiert, dass der konkrete Plan für die Umsetzung der Energiewende fehlt und stattdessen Milliarden Euro ungeordnet in den Ausbau des Ökostroms fließen.
Nun scheint diese Erkenntnis auch in der Politik anzukommen: "Es hapert an allen Ecken und Enden, diese Energiewende ist ein Desaster", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem "Hamburger Abendblatt". Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut dem "Mannheimer Morgen", dass der Atomausstieg und die Stilllegung konventioneller Kraftwerke „die Versorgungssicherheit in relevantem Umfang gefährden" könnten.
Spitzentreffen im Kanzleramt
Merkel will am Mittwoch mit führenden Branchenvertretern über Probleme bei der Umsetzung der Energiewende sprechen. An dem Treffen im Kanzleramt sollen unter anderem Spitzenvertreter von RWE, Eon, Siemens und des Stadtwerkeverbunds Thüga teilnehmen. Dabei soll es vor allem darum gehen, welche konventionellen Kraftwerke die Stilllegung von neun Atomkraftwerken bis 2022 auffangen können. Bisher aber gibt es kaum Pläne für neue Gaskraftwerke: Denn da es einen Einspeisevorrang für Wind- und Solarstrom gibt, ist für die Betreiber angesichts von immer mehr Ökoenergie völlig unklar, ob sich Milliardeninvestition in neue Kraftwerke mit fossiler Energie überhaupt lohnen.
DIHK fordert bessere Steuerung
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert eine bessere Steuerung der Stromproduktion. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann kritisierte eine Verschwendung von Ressourcen und Geldern durch ungesteuertes Wachstum im Bereich der Ökoenergien. So gebe es durch den gestiegenen Anteil von Wind- und Solarenergie „ohne jede regionale Koordination“ beispielsweise im Nordosten Deutschlands eine Überproduktion von Windkraft. "Das ist unwirtschaftlich und ärgerlich", sagte Driftmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Panorama hatte ebenfalls berichtet, dass bereits jetzt Windstrom produziert wird, der niemals zu den Verbrauchern gelangt, weil die Leitungen fehlen. Ungeachtet dessen will die Kanzlerin mehr Anstrengungen im Bereich der Offshore-Windenergie unternehmen: Das wirtschaftliche Risiko solcher Anlagen müsse beherrschbar werden. Auch sei die Anbindung ans Festland eine Herausforderung, sagte die Kanzlerin dem "Hamburger Abendblatt".
Rösler will "Planungsverfahren optimieren"
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach sich für effizientere Planungsverfahren aus, um die Energiewende zu beschleunigen. "Entscheidend ist, dass die Wirtschaft jetzt investiert", sagte Rösler "Welt Online". "Ich schlage deshalb vor, die Planungsverfahren beim Ausbau der Stromnetze und beim Neubau von Kraftwerken weiter zu optimieren." Klingt gut, aber die Erkenntnis kommt spät: Als Panorama im November kritisierte, dass die Politik offenbar den Überblick über die Energiewende verloren habe, entgegnete Jürgen Becker, Staatssekretär im Umweltministerium, noch: "Wir haben doch keine Planwirtschaft."