Die Achse des Guten
"Finspy" kapert den PC
Münchs Produkt - die Version, mit der Shehabi und Abdulla ausspioniert werden sollten - hat die Universität von Toronto analysiert. Am Forschungsinstitut Citizen Lab entschlüsselte Morgan Marquis-Boire, ein Neuseeländer mit Dreadlocks, tagsüber Software-Ingenieur bei Google, nachts und am Wochenende die Spähsoftware. Er baute ein virtuelles Labor, setze einen Computer in die Mitte und ließ den Trojaner drauf los. Dann protokollierte Marquis-Boire, wie das Programm den PC kaperte, Passwörter kopierte, Skype-Gespräche aufzeichnete, Screenshots machte. Marquis-Boire entdeckt im Programmcode das Wort "finspyv2", Finspy, Version 2 also. In der Softwareversion fürs Handy steht auch: "Martin Muench".
Die gesammelten Daten sendete der Trojaner an einen Server in Bahrain. Citizen Lab hat in vielen Ländern Server gefunden, die Spuren von Finfisher tragen. Brunei, Äthiopien, Turkmenistan, die Vereinigten Arabischen Emirate - es klingt wie das Kellerduell im Demokratieranking. Es ist nicht bekannt, wie viele Diktaturen Gamma-Kunden sind und auch nicht, wie Gamma die Länder auswählt. Zehn bis 20 Geschäftspartner vertreiben die Software weltweit. Menschenrechte scheinen bislang kein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Geschäftspartner gewesen zu sein. "Wenn ich als Firma Equipment für 50.000 Euro verkaufe, kann man von mir nicht erwarten, dass ich in jedes Land gehe und Forschung mache für 200.000 Euro", sagt Münch. "Es macht einfach keinen Sinn als Firma." Einen Verkauf bereut habe er bislang jedenfalls nicht.
Tochterfirma in Übersee
Dem NDR und der britischen Zeitung Guardian liegen Dokumente vor, die zeigen, dass die Gamma-Gruppe eine Firma im Steuerparadies Britische Jungferninseln besitzt. Darauf angesprochen, bestritt Münch vor einigen Wochen erst vehement, dass die Gesellschaft überhaupt existiert. Als er Belege geschickt bekam, ruderte er zurück, entschuldigte sich. Er habe gedacht, dass die Tochterfirma nicht existiert.
Auch jetzt beantwortet Geschäftsführer Münch Fragen zum Geschäft nur ausweichend. Eines wiederholt er jedoch gebetsmühlenartig: Dass seine Firma die Exportgesetze in Deutschland einhält. Das soll vorbildlich wirken, denn aus München wird gar kein Finfisher-Produkt verschickt. Das Lager ist in England. In Andover, nicht weit von Stonehenge, sitzt die Muttergesellschaft von Gamma International, die Gamma Group. In Großbritannien und Deutschland gilt die gleiche EU-Verordnung, die den Export von Überwachungstechnologie regelt.
Überwachungstechnologien sind im Sinne des Gesetzes keine Waffen, sondern Güter, die zivil und militärisch genutzt werden können. Fachwort: dual use. Dementsprechend sind die Auflagen deutlich harmloser als für Panzerverkäufe. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass Gamma vom Kunden ein Zertifikat bekommt, dass wirklich bei der richtigen Polizeieinheit Finfisher installiert wurde, gestempelt vom Staat selbst. Das Papier heftet Gamma dann ab. Wann und wie genau das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle Gamma prüft, wollen weder Münch noch das Bundeswirtschaftsministerium sagen.
Münch will nun aber mehr Transparenz, echte Konsequenzen in der Firma. Sein Image als Bösewicht möchte er gerne loswerden. Dafür lässt er gerade einen Verhaltenskodex schreiben, der den Export in Länder ausschließen soll, die Menschenrechte verletzen. Gamma sei mit zwei Menschenrechtsgruppen in Kontakt, die in Grenzfällen als Berater mitarbeiten sollen. Welche zwei NGOs das sind, will er nicht verraten. Doch im Gamma-Vorstand soll es künftig auch einen Menschenrechtsbeauftragten geben. Es werde wohl er selbst sein, so Münch. Dass ausgerechnet derjenige, der die bisherige Geschäftspolitik zu verantworten hatte, diese Rolle ausfüllen soll, scheint ihn nicht zu stören.
Die größte Probe für Gammas PR-Offensive ist diese Zusage: Wenn ein Land noch nicht auf den rechtlich verbindlichen, staatlichen Warnlisten auftaucht, aber alle Menschenrechtsorganisationen den Staat verurteilen, wird Gamma keine Produkte dorthin verkaufen. Ein kleines Versprechen gegen großen Aufruhr.
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