Verbraucherzentrale: Private Krankenversicherung schafft sich selbst ab
Die Privaten Krankenkassen (PKV) erhöhen teilweise massiv die Beiträge und erschweren einen Wechsel in kostengünstigere Tarife. So lautet das am Donnerstag veröffentlichte Ergebnis einer bundesweiten Auswertung der Beschwerden von Privatversicherten durch die Verbraucherzentralen. Panorama hatte vor zwei Wochen darüber berichtet, wie Privatpatienten im Alter durch steigende Beiträge zur PKV in den finanziellen Ruin getrieben werden.
"Befürchtungen weit übertroffen"
Die Verbraucherzentralen bestätigen die Darstellung von Panorama: Zum Jahreswechsel stiegen die Versicherungsprämien in den von den Verbraucherschützern überprüften Fällen im Schnitt um 23,9 Prozent. Besonders negativ fielen die Central Krankenversicherung und die Gothaer Versicherung mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 28,4 Prozent beziehungsweise 26,4 Prozent auf. Negative Spitze war eine Erhöhung um 60 Prozent bei der Central. Besonders betroffen waren langjährige Bestandskunden und ältere Versicherte. "Unsere Befürchtungen wurden weit übertroffen", bilanziert Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Die Beschwerden umfassten mit wenigen Ausnahmen Verträge, die länger als zehn Jahre bestünden und Versicherte, die älter als 45 Jahre seien. Viele der Betroffenen "berichten, dass sie die Beitragshöhen im Ruhestand auf keinen Fall mehr zahlen können", so Wortberg. In einem Extremfall zahlt eine 59-jährige Frau einen monatlichen Beitrag in Höhe von 1095 Euro. Obwohl die PKV einen Wechsel in einen günstigeren Tarif ermöglichen müssen, werde dies in der Realität erschwert und verhindert. Die Verbraucherschützer fordern die Bundesregierung deshalb auf, den Wechsel in einen günstigen Tarif zu vereinfachen und allen PKV-Versicherten den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu ermöglichen.
PKV am Ende?
Darüber hinaus halten sie eine grundlegende Reform der privaten Krankenversicherung für überfällig. Die teils dramatischen Beitragssteigerungen zeigten die mangelnde Zukunftsfähigkeit der Branche: "Sie wird sich selbst abschaffen", so der Vorstand des Verbraucherzentralen-Bundesverbands, Gerd Billen, am Donnerstag in Berlin. Bereits am Mittwoch hatte der Chef der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), Jürgen Graalmann, die Politik aufgefordert, die PKV in ihrer heutigen Form nicht künstlich am Leben zu erhalten: "Die Lage der PKV ist ganz offensichtlich bedrohlich", sagte Graalmann der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "So wie es aussieht, bekommen die Versicherer diese Krise nicht selbst unter Kontrolle. Wenn das heutige Geschäftsmodell der PKV gescheitert ist, darf es keine politischen Kompensationsgeschäfte geben", so Graalmann.
Der PKV-Verband sprach dagegen von einem "Horrorszenario, das durch nichts belegt ist". Auch der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann sagte: "Einen ganzen Wirtschaftszweig als bedroht hinzustellen, halte ich für unseriös." Graalmann dürfe bewusst sein, dass es die AOK heute in dieser Form nicht mehr gäbe, wenn die Politik nicht über Jahre geholfen hätte. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hingegen sieht "die heutige PKV am Ende". Jetzt sei es Zeit für die Bürgerversicherung. Die Privatisierung und damit Zerschlagung der gesetzlichen Kassen als Kompensation für ein einheitliches Versicherungssystem werde es mit der SPD nicht geben.