Trierer Bischof: Bewaffnete Drohnen senken Gewalt-Schwelle
Die Diskussion über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr hält an - und im Unterschied zu anderen Waffensystemen steht bei der öffentlichen Debatte über solche unbemannten Flugsysteme die ethische und moralische Dimension im Vordergrund. Nachdem Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor wenigen Tagen noch seine Position bekräftigt hatte, dass die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die deutschen Streitkräfte keine ethische Frage sei, hat ihm jetzt der Trierer Bischof Stephan Ackermann widersprochen.
Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax vertritt die Position: Mit bewaffneten Drohnen droht die Schwelle zur Gewaltanwendung herabgesenkt zu werden.
Die Pressemitteilung zu Ackermanns Erklärung hier im Wortlaut:
Die Bundesregierung plant, künftig auch die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszurüsten. In diesem Vorhaben spiegeln sich nicht zuletzt die militärischen Erfahrungen des Afghanistan-Einsatzes, neue technologische Entwicklungen und auch das in der Sache berechtigte Anliegen wider, das Risiko für die eigenen Soldaten im Rahmen einer vertretbaren Operationsführung so gering wie möglich zu halten.
Nichtsdestotrotz wirft diese neue Waffengattung eine Reihe von ernsten Fragen auf, die dringend der öffentlichen Diskussion bedürfen. Insbesondere die Bundesregierung ist gefordert zu klären, wie sie mit der Ambivalenz dieser Waffen umzugehen gedenkt. Die ethische Kernfrage lautet: Wie wirkt sich diese neue Waffengattung auf das ethische Ziel der Gewaltminimierung aus? Kann man die voraussichtlichen problematischen Nebenwirkungen in den Griff bekommen? Und wenn ja, wie?
1. Mit der Beschaffung von bewaffneten Drohnen droht die Schwelle zur Gewaltanwendung herabgesenkt zu werden. Denn: Ist es unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des eigenen militärischen Personals nicht folgerichtig, dass man, wenn man vor die Alternative gestellt wird, gegnerisches Personal festzunehmen oder durch einen Drohnenangriff zu töten, die letztere Option wählt? Denn sie ist für einen selbst die risikoärmere. Wird aber dadurch die Zahl der Getöteten nicht weit über das Maß hinauswachsen, das eine am ethischen Ziel der Gewaltminimierung orientierte Strategie setzen muss? Wird durch die Möglichkeit, Waffen am Computerbildschirm auf Distanz einzusetzen, ohne die Einsatzsituation und ihre existenziellen Risiken selbst zu erfahren, nicht unvermeidlich die (mentale) Schwelle herabgesenkt, an der der Entschluss zu einem solchen Einsatz gefällt wird? Besteht daher nicht die große Gefahr, dass der tiefe Ernst der Entscheidung, Gewaltmittel einzusetzen, technisch verschleiert wird?
2. Eine vertretbare Verwendung bewaffneter Drohnen setzt zudem voraus, dass zwischen Kämpfenden und Unbeteiligten hinreichend genau unterschieden werden kann. Aber auch hier stellen sich Fragen: Wie sind die erforderlichen Informationen zu erhalten? Wie ist die geforderte Sorgfalt bei der Informationsgewinnung und der Entscheidung zu gewährleisten, mit der verhindert werden kann, dass Unbeteiligte verletzt oder getötet werden? Und generell: Wo liegen die Grenzen der Verwendung dieser Waffenart?
3. Wie die Einsätze in Afghanistan und Pakistan gezeigt haben, erfordert der Einsatz von bewaffneten Drohnen insbesondere dann, wenn er zur gezielten Tötung von Gegnern erfolgt, auch geheimdienstliche Informationen. Wie wirkt sich diese Tatsache auf die politische und militärische Steuerung der Anwendung von Gewaltmitteln aus? Wer trifft letztlich die Entscheidung aufgrund welcher Kriterien Gegner getötet werden dürfen? Die Grenze zu (extralegalen) Hinrichtungen ist ganz schwer zu ziehen. Das europäische Recht verbietet die Todesstrafe. Auch aus diesen Gründen muss daher vorab sehr genau definiert werden: Wo liegen die Grenzen des Einsatzes?
4. Die verstärkte Einführung einer neuer Waffengattung bringt die Gefahr eines Wettrüstens der Staaten um möglichst umfangreiche militärische Fähigkeiten mit sich. Wie ist dieser Gefahr zu begegnen? Wie verhindert man die Weitergabe der entsprechenden Technologien an gewaltbereite nichtstaatliche Akteure, zumal die relative Überschaubarkeit und Berechenbarkeit der Waffenwirkungen gerade terroristischen Absichten erheblich entgegenkommt? Schon diese kleine Auswahl von Fragen verdeutlicht, dass eine breitere öffentliche und politische Debatte um die Anschaffung dieser Waffengattung erforderlich ist. Die Antwort auf die Frage, ob diese Waffen aus ethischer Perspektive angeschafft werden dürfen, hängt wesentlich davon ab, wie die Fragen nach dem Wie und Wozu dieser Waffengattung und ihrer Konsequenzen beantwortet werden. Wollte man die neuen Waffensysteme einführen, ohne diese Fragen zu beantworten, wäre ihre Anschaffung mit großer Sicherheit ein Schritt zu mehr statt wie erhofft zu weniger Gewalt und damit nicht zu rechtfertigen.