Staatsbürgerschaft zum Schnäppchenpreis
Es klingt ein bisschen nach Sonderschlussverkauf, als der Premierminister von Antigua & Barbuda gegen Ende seiner Rede den wohlbetuchten Zuhörern einen besonderen Rabatt präsentiert. Gaston Brown hat ein "befristetes Angebot" zu machen, wie er es nennt: Eine vierköpfige Familie könne ab sofort die Staatsbürgerschaft seiner Karibikinseln für 140.000 Dollar erwerben, so der Premierminister, rund 40 Prozent weniger als bislang. Pässe kann man in vielen Ländern einfach kaufen. Browns Regierung hat entschieden: Der Pass muss billiger werden, um Marktanteile im globalen Passgeschäft zu halten, und bald könne man sogar ganz bequem in Bitcoin zahlen, so Brown. Der Premierminister beschwört die rund 400 Gäste geradezu: "Ich wiederhole: ein befristetes Angebot!"
Das Global Citizen Forum 2017
Das war im vergangenen Oktober auf dem Global Citizen Forum in Sveti Stefan, Montenegro. Und wo könnte man den karibischen Pass-Discount besser verkünden als dort, wo die Kunden sind. Die jährliche Veranstaltung des Global Citizen Forum gilt als das Davos des Passhandels, ein Event der Schönen und Reichen, organisiert von Armand Arton, dem zweitgrößten Passhändler der Welt, der auch Antigua & Barbuda im Programm hat. Panorama war bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung vor Ort, auf der als Stargast Robert de Niro sprach.
Passgeschäft anfällig für Korruption und Missbrauch
Sogenannte "Golden Visa“-Programme, durch die reiche Investoren Aufenthaltstitel und Staatsbürgerschaften erwerben können, gibt es schon lange, aber inzwischen ist daraus eine milliardenschwere Pass-Industrie erwachsen. Befürworter der Programme sehen sie als Ausdruck einer "universellen Kultur globaler Bürger“. Kritiker sprechen von Korruption und Scheinheiligkeit, schließlich können sich nur Superreiche Staatsbürgerschaften erkaufen. Die Passkäufer rekrutieren sich aus dem obersten "einen Prozent“, wie Passhändler Arton im Interview mit Panorama einräumt.
Ermittler betonen zudem, dass ein zweiter oder dritter Pass auch für Kriminelle, Steuerhinterzieher oder Geldwäscher interessant ist. Das Recherchenetzwerk OCCRP hat nun in Zusammenarbeit mit Transparency International das Geschäft mit den Pässen in einem Dutzend Länder untersucht, darunter auch EU-Staaten wie Zypern, Portugal oder Bulgarien. Die umfassenden Recherchen zeigen: Das Passgeschäft ist tatsächlich anfällig für Korruption und für Missbrauch durch Kriminelle, die Programme sind häufig hoch intransparent und die Sicherheitsüberprüfungen der Bewerber (Due Diligence) oftmals ungenügend. Ein interessanten Aspekt steuert OCCRP-Partner Addendum aus Östereich bei: Wien scheint sich demnach zu einer Art Drehscheibe im internationalen Passgeschäft zu entwickeln - und Passhändler Arton mischt dabei offenbar kräftig mit.
EU-Steuergelder fließen in Passgeschäfte
Auf EU-Ebene stehen die "Golden Visa“-Programme schon lange in der Kritik. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte im Oktober im Interview mit Panorama, man beobachte die Programme sehr genau und wolle in diesem Jahr einen Bericht mit Leitlinien zum Passverkauf vorlegen. Schließlich berechtigt der Pass eines einzelnen Mitgliedstaates zum Eintritt in die gesamte EU. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur ein pikantes Detail, dass in der Finanzierung des Passgeschäfts sogar EU-Steuergelder stecken, wie OCCRP nun berichtet.
So geschehen in Armenien, einem der östlichen EU-Partnerländer, in dem die EU Millionen in ein Programm investiert, um dabei zu helfen, Grenzschutz und Visa-Regeln auf europäisches Niveau zu bringen. Just aus diesem EU-Topf flossen 18.500 Euro an den Passhändler Armand Arton, für Beratungsleistungen in Sachen Passverkauf, wie OCCRP berichtet.
50.000 Dollar für armenischen Pass
In einem Abschlussbericht, aus dem OCCRP zitiert, empfiehlt Arton Capital der armenischen Regierung, ein "Golden Visa“-Programm einzuführen, das am besten durch ein "international anerkanntes Unternehmen" mit ausreichend Erfahrung im Passgeschäft betrieben werden solle. Ein Unternehmen wie Arton Capital. Dessen Berater empfehlen auch einen Preis für den armenischen Pass: 50.000 Dollar. In der Welt des Passhandels wäre das dann das dann der ultimative Discount.
Der armenischen Regierung geht es eigener Aussage zufolge darum, durch ein mögliches "Golden Visa“-Programm das Investitionsklima zu verbessern. Arton Capital betont in einer Pressemitteilung, dass das vorgeschlagene Programm in Übereinstimmung mit EU-Recht stehe. Armenien habe dadurch "das Potential, sich als einzigartiges Investitionsziel für wohlhabende Personen aus dem Mittleren Osten und Asien zu positionieren“. Und die Firma kündigt an, die Beratungsgebühren zu spenden, um Flüchtlingen in Armenien zu helfen.