Mögliche Umsturzpläne: Gegner von Corona-Maßnahmen in Portugal festgesetzt

von Julian Feldmann
Joachim T. © NDR / ARD
Joachim T. gilt als Rädelsführer einer mutmaßlich kriminellen Vereinigung.

Ein mit Haftbefehl gesuchter Deutscher, der sich offenbar mit anderen wegen der Corona-Maßnahmen bewaffnet hatte, ist in Portugal festgenommen worden. Nach Informationen des ARD-Politikmagazins Panorama und des Rechercheformats STRG_F handelt es sich dabei um den 39-jährigen Joachim T. aus Rheinland-Pfalz.

Portugiesische Behörden hatten den flüchtigen Joachim T. Ende November gefasst. Der Deutsche war mit einem "Europäischem Haftbefehl" gesucht worden, weil er als Rädelsführer einer mutmaßlich kriminellen Vereinigung gilt. Der Gruppe wird vorgeworfen, sich im Kampf gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen bewaffnet zu haben. Offenbar ging es auch um mögliche Umsturzpläne.

Bewaffnete Gruppierung "Paladin"

Joachim T. hatte sich nach NDR-Recherchen im Rahmen der Corona-Pandemie radikalisiert. Vorgeworfen wird ihm, Anfang 2021 eine bewaffnete Gruppierung unter der Bezeichnung "Paladin" gegründet zu haben. Gegen T. und zwei mutmaßliche Mittäter hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz inzwischen Anklage erhoben.

Anfang 2022 hatte T. Reportern von Panorama und STRG_F ein Interview gegeben und bestritten, eine bewaffnete Gruppe gegründet zu haben.

 

Weitere Informationen
Thumbnail: Joachim T. (r.) neben einer selbstgebauten Waffe © Screenshot Foto: Montage
8 Min

Radikale Corona-Leugner: Waffen aus dem 3D-Drucker

Viele, die Straftaten mit Corona-Bezug begehen, sind zuvor polizeilich nicht in Erscheinung getreten - wie Joachim T. 8 Min

Mitte 2021 war T. schon einmal festgenommen worden, nachdem er mithilfe von 3D-Druckern eine Waffe und zahlreiche Teile für Schusswaffen hergestellt hatte.

Er hatte versucht, die halbautomatische Pistole einem verdeckt ermittelnden Polizisten zu verkaufen. Wegen der illegalen Waffenproduktion war T. Anfang 2022 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Gericht stellte damals unter anderem fest, dass der Physiotherapeut T. wegen seiner Weigerung, bei der Arbeit eine Maske zu tragen, seine Anstellung verloren hatte.

"Die Gesundheit wird politisiert", sagte T. kurz nach der Verurteilung im Interview mit Panorama und STRG_F zu den Corona-Maßnahmen in Deutschland. "Es endet immer in einer Katastrophe, wenn man sich historisch anschaut, was passiert, wenn Politiker einem vorschreiben, was gesund ist und was nicht. Daraus ist für mich die Angst entstanden, also wirklich eine große Angst. Und daraus der Gedanke, sich verteidigen zu müssen. Dadurch bin ich auf Waffenbau gekommen." Er habe befürchtet, dass "die Grundordnung komplett zusammenbrechen wird".

T. forderte bewaffneten Widerstand

Im Rahmen der Ermittlungen zur illegalen Herstellung von Waffen stieß die Polizei bei Auswertungen von Chats auf Hinweise, dass sich Joachim T. nicht allein bewaffnete. Es folgten umfangreiche Nachforschungen, die von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz geleitet wurden.

Weitere Informationen

Radikale Corona-Proteste: Viele Täter polizeilich unbekannt

Viele radikalisierte Täter, die politisch-motivierte Straftaten mit Corona-Bezug begehen, sind zuvor polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Das zeigen Recherchen von STRG_F und Panorama. extern

Nach Recherchen von Panorama und STRG_F hatte T. unter anderem auf Telegram und Facebook versucht, Mitstreiter zu finden und sich zu vernetzen. Auch an Versammlungen, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richteten, nahm T. teil. Im Internet warb T. für bewaffnete Kleingruppen, die "in den konsequenten Widerstand gegen die verbrecherische Willkür gehen". Gemeint waren damit die staatlichen Corona-Maßnahmen. In einer Audio-Botschaft fragte T.: "Also wann beginnst Du Dich bewaffnet wehrhaft zu organisieren?"

Die Ermittler konnten zwei mutmaßliche Komplizen von T. identifizieren: Einen 56-Jährigen und einen 63-Jährigen. Alle drei Verdächtigen stammen aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz.

Anklage gegen das Trio „Paladin“

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz erhob nun im Sommer Anklage gegen T. und die beiden weiteren Männer. Ihnen werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung, die Bildung einer bewaffneten Gruppe und Waffendelikte vorgeworfen. T. gilt laut Anklage als Rädelsführer der Vereinigung, die zwischen Februar und Mai 2021 bestanden haben soll.

Den drei Beschuldigten wird zur Last gelegt, "die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie abgelehnt und darin lediglich einen Vorwand des Staates zur Abschaffung der Grundrechte gesehen zu haben", sagt ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage von Panorama und STRG_F.

Daraus hätte das Trio "für sich die Berechtigung abgeleitet", „sich zu bewaffnen und gewaltsamen Widerstand gegen staatliche Maßnahmen zu leisten“, so die Anklagebehörde. Allerdings haben die Ermittler keine Hinweise dafür gefunden, dass schon konkrete gewaltsame Aktionen ins Auge gefasst worden waren.

Festnahme im November

Im Interview hatte T. Anfang 2022 bestätigt, dass er an Treffen in Tarnuniform im Wald teilgenommen habe. Er bestritt jedoch den Vorwurf, er habe eine bewaffnete Gruppe gegründet. Wehrsportübungen und Schießtrainings habe es nicht gegeben, sagte er. Es sei "sehr viel harmloser gewesen".

Nach Angaben der Ermittler setzte sich T. spätestens im Juni 2023 ins Ausland ab, konnte jedoch Ende November festgenommen werden. Inzwischen sitzt T. laut Generalstaatsanwaltschaft in Portugal in Auslieferungshaft. Das Landgericht Koblenz muss nun über die Zulassung der Anklage gegen das Trio entscheiden. Zu den Vorwürfen will sich T.s Verteidigerin auf Anfrage nicht äußern.

 

Weitere Informationen

Radikal durch Corona - Was braut sich da zusammen? | STRG_F

Im vergangenen Jahr hat es mindestens 19 Brandanschläge gegeben, bei denen zumindest der Verdacht besteht, sie könnten von Gegner*innen der Corona-Maßnahmen verübt worden sein. extern

Joachim T. © NDR / ARD

Radikale Corona-Leugner: Waffen aus dem 3D-Drucker

Joachim T. hat sich während Corona radikalisiert. Damit steht er nicht alleine: Viele, die Straftaten mit Corona-Bezug begehen, sind zuvor polizeilich nicht in Erscheinung getreten. mehr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Coronavirus

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr