Stand: 17.02.2016 15:33 Uhr

Masern-Prozess: Ein Bärendienst für die Wissenschaft

von Djamila Benkhelouf
Impfgegner Stefan Lanka
Stefan Lanka muss die 100.00 Euro Wetteinsatz nicht zahlen - wegen eines Formfehlers.

Ein skurriler Wettstreit um die Existenz von Masernviren geht zu Ende, mit einer überraschenden Wende und einem fragwürdigen Urteil. Der Impfgegner und Biologe Stefan Lanka muss dem Mediziner David Bardens keine 100.000 Euro Prämie zahlen. Lanka schrieb 2011  aus, wer den Beweis für die Existenz des Masernvirus' erbringe, erhalte 100.000 Euro Belohnung. Gesagt getan.

David Bardens, damals Medizinstudent erbrachte durch mehrere Publikationen den Beweis und forderte die Belohnung. Lanka aber zahlte nicht. Das Landgericht Ravensburg hatte Lanka allerdings dazu im vergangenen Jahr verpflichtet. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Existenz des Masernvirus und gab dem Mediziner Recht. Lanka ging in Berufung und nun das: Zwar legte der Mediziner Beweise für die Existenz des Masernvirus' vor. Allerdings in mehreren Publikationen und nicht, wie in der Ausschreibung gefordert, in einer. Ein Formfehler also, der nun im Berufungsprozess vor dem Stuttgarter Landgericht dazu führte, dass Lanka die 100.000 Euro nicht an den Arzt Bardens zahlen muss.

Keine Bestätigung für Lankas Theorien

Ein Formfehler. Eine Bestätigung von Lankas Theorien sei das nicht, betonte das Gericht. Keinesfalls sei man der Meinung, dass das Masernvirus nicht existiere. Lanka dagegen feiert allerdings diesen Formfehler als Meilenstein im Kampf gegen die bösen Piekser, eben gegen das Impfen. Seiner Überzeugung nach litten Kinder unnötig durch Impfungen und Mütter würden ihre Kinder unnötig Risiken aussetzen. Im Netz wird der angebliche Sieg des Berufungsprozesses bereits von Impfgegnern gefeiert.  So schreibt der bekannte Impfkritiker und Herausgeber der impfkritischen Zeitschrift "Impfreport" Hans Tolzin, Stefan Lanka gebühre Dank, die Wissenschaft könne nur davon profitieren und auch Kinder, um die es ja bei den Impfprogrammen gehe, mit denen man das Masernvirus ausrotten wolle.

Das ist vergleichsweise noch harmlos. Angeblich sollen in Brasilien Impfungen bei schwangereren Frauen für die so genannte Mikrozephalie verantwortlich sein, nicht etwa das Zika-Virus. Auch Lankas Publikationen klingen ähnlich haarsträubend: "Impfen und Aids: Der neue Holocaust".

 

Aus dem Archiv
Impfgegner Hans Tolzin

Das wirre Weltbild der Impfgegner

Impfgegner sind auf dem Vormarsch: Dabei sind nachgewiesene Impfschäden extrem selten, Komplikationen bei Masern bis hin zum Tod treten deutlich häufiger auf. mehr

Panorama hatte Stefan Lanka und seine Anhänger im März vergangenen Jahres interviewt. Auf die Frage was denn nun Masern seien, antwortete Lanka, dass die Masernerkrankung im Kindergarten einfach eine Reaktion auf eine zu frühe Trennung von der Mutter sei. Seine Anhänger gingen damals noch weiter: Mit Impfungen wolle man die Menschheit reduzieren. Krude Aussagen, die allerdings vom harten Kern der Impfgegner verteidigt werden. Für wissenschaftliche Argumente sind viele schon nicht mehr erreichbar.

"Wendepunkt in der Masernforschung"

Ein Impfbuch mit dem Eintrag "Masern". © imago
Rund 100.000 Menschen sterben jährlich an Masern. Eine Impfung schützt davor.

Und vor diesem Hintergrund mag der Formfehler des Berufungsprozess juristisch korrekt sein, er liefert allerdings Impfgegnern ordentlich Wasser auf die Mühlen. Da helfen auch warnende Worte des Gerichts nichts, am wissenschaftlichen Konsens zum Thema Masern ändere auch das Stuttgarter Urteil nichts. Das kommt nämlich bei Impfkritikern nicht an. Lanka bezeichnet die Entscheidung des Oberlandesgerichts als Wendepunkt der Masernforschung und forderte ein Paradigmenwechsel der Medizin.

Das ist pures Futter für Impfgegner, die junge Eltern mit impfkritischen Publikationen verunsichern.  Vor diesem Hintergrund ist das Urteil fragwürdig, denn es hilft nicht, vor allem nicht der Vernunft. Eine Revision wurde nicht zugelassen, ob David Bardens dagegen Beschwerde einlegt, ist unklar. Klar ist aber wohl schon jetzt: Die versprochene Prämie von 100.000 Euro hätte der Mediziner für Impfungen in Entwicklungsländern gespendet. Es wäre gut investiert Geld gewesen.  Weltweit sterben immer noch mehr als 100.000 Menschen jährlich an Masern, die meisten Todesopfer sind Kinder. 

 

Weitere Informationen
Ein Kind wird mit einer Spritze in den Oberarm gestochen © Fotolia.com Foto: stalnyk

Scharlatane? Die Einflüsterer der Impfgegner

Impfen gilt als bester Schutz gegen die Masern. Doch Impfgegner streuen hartnäckig, dass der Schaden größer sei als der Nutzen - was zu furchtbaren Konsequenzen führen kann. mehr

Ein Impfpass liegt auf einem Infoblatt über Masern. © dpa Foto: Achim Scheidemann

Haftbefehl gegen Imfpgegner Stefan Lanka

Der Biologe Stefan Lanka hatte 100.000 Euro für einen Masernviren-Nachweis ausgelobt, weigert sich aber zu zahlen. Nun wurde gegen den Imfgegner ein Haftbefehl erlassen. mehr

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 19.03.2015 | 21:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gesundheitsvorsorge

Immunsystem

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr