Stand: 20.11.2014 01:00 Uhr

IS nutzt deutschen Neonazi-Internetdienst

von Robert Bongen & Julian Feldmann
Neonazis demonstrieren gegen den Islam. © Julian Feldmann Foto: Julian Feldmann
Neonazis demonstrieren gegen den Islam.

Seit Wochen machen Rechtsextremisten gegen Salafisten mobil, schwimmen mit im populistischen Sammelbecken "HoGeSa" und versuchen mit der Anti-Islamisten-Kampagne neue Anhänger zu gewinnen. Da dürfte es ihnen gar nicht gefallen, dass ausgerechnet die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für ihre Kommunikation einen Neonazi-Internetdienst nutzt. Nach Panorama Recherchen ist das "Medienzentrum" der Dschihadisten über einen E-Mail-Service erreichbar, den Rechtsextremisten zur sicheren Informationsübermittlung gegründet haben.

IS gibt Email-Adresse auf Neonazi-Server an

Im IS-Propagandablatt "Dabiq" wird in der dritten Ausgabe (erschienen im Sommer) zur Kontaktaufnahme eine E-Mail-Adresse genannt, die über den Dienstleister "0x300" betrieben wird. Interessenten sollen über diese Adresse mit dem "Al-Hayat-MediaCenter" der Terrormiliz in Verbindung treten können. In dem Online-Magazin "Dabiq", das in mehreren Sprachen erscheint, wird auch zu Anschlägen in Europa aufgerufen. Hinter dem Service "0x300" stehen Neonazis aus dem Ruhrgebiet. Mit Ausnahme der Islamisten nutzen offenbar vor allem Rechtsextremisten den Internetdienst. Zahlreiche Kameradschaften und Neonazi-Gruppen sind über E-Mail-Adressen des Anbieters erreichbar - so etwa der "Nationale Widerstand Duisburg", die "Autonomen Nationalisten Göppingen", die "Kameradschaft Schwerin" oder die "Nationalen Sozialisten Nordharz".

Rechtsextremisten empfehlen "0x300" als besonders sicheren und für deutsche Behörden nicht zugänglichen "Postfachanbieter". Die IP-Adresse werde nicht gespeichert, der Server stehe in den USA. Auf einer Seite, die "Nationalisten" Tipps zur Datensicherheit gibt, heißt es dazu: "Der Serverstandort wurde der Zielgruppe entsprechend gewählt" - will heißen: Da in den Vereinigten Staaten vieles, was in Deutschland als Volksverhetzung strafbar ist, unter Meinungsfreiheit fällt, haben die Betreiber den Standort in die USA gelegt. Dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse vor, dass Rechtsextremisten "0x300" zur verschlüsselten Kommunikation untereinander nutzen. Auch weitere Internet-Angebote sollen dem Zweck dienen, eine eigene Internet-Infrastruktur innerhalb der rechtsextremen Szene aufzubauen.

Rechtsradikaler Ratsherr als Drahtzieher?

Der Dortmunder Neonazi Dennis Giemsch. © Julian Feldmann Foto: Julian Feldmann
Schlüsselfigur der rechten Szene im Ruhrgebiet: der Dortmunder Neonazi Dennis Giemsch.

Als Schlüsselfigur dieses Netzwerks gilt der radikale Neonazi Dennis Giemsch. Er war Anführer des 2012 verbotenen "Nationalen Widerstands Dortmund", ist nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Neonazi-Partei "Die Rechte" und sitzt seit Juli im Rat der Ruhrgebietsstadt, als Nachrücker für Siegfried "SS-Siggi" Borchardt. Nach Aussagen von Aussteigern aus der rechten Szene bekannte sich der 29-jährige Informatikstudent Giemsch im Kameradenkreis offen dazu, "0x300" zu betreiben. Dies bestätigen auch mehrere Beobachter der Szene. Anfragen von "Panorama" zum Internetdienst ließ er unbeantwortet.

Giemsch will Auskunft über Anzahl der Juden in Dortmund

Erst vergangene Woche hatte Giemsch für Empörung gesorgt, weil er im Stadtrat eine Anfrage nach der Zahl der Bürger jüdischen Glaubens in Dortmund gestellt hatte. Ähnliche Anfragen stellte die Partei auch zu Kurden und "AIDS-Kranken". Immer wieder fielen die Rechtsextremisten um Giemsch in den letzten Wochen auch durch Aggressionen gegen Islamisten auf. Im September tönten sie: Sollte sich in Dortmund eine "Scharia-Polizei" nach Wuppertaler Vorbild bilden, stünde bereits der "Stadtschutz der Partei 'Die Rechte' bereit".

Den "Islamischen Staat" bezeichnet die Partei als "vom Westen aufgebaute und durch den israelischen Geheimdienst Mossad mitgegründete Islamistenterrorgruppe". "Die Rechte" beteiligte sich auch an den "Hooligans gegen Salafisten"-Aufmärschen. Vor diesem Hintergrund wirkt es fast schon bizarr, dass der IS ausgerechnet den E-Mail-Service der Ruhrgebiets-Neonazis nutzt. Vom Innenministerium in Düsseldorf heißt es, dass Verbindungen zwischen Islamisten und Rechtsextremisten nicht bekannt seien.

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