Kündigung wegen US-Druck ist rechtswidrig
Nach oben buckeln und nach unten treten gilt als sehr unschöner Charakterzug. Meistens beschreibt man damit das Verhalten nicht gerade vorbildlicher Personen. In dieser Geschichte muss sich die Commerzbank, eines der größten deutschen Unternehmen, vorwerfen lassen, dass sie sich so verhalten hat. Wegen angeblicher Verstöße gegen Sanktionen, die die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Iran verhängt hatten, drohten die US-Behörden der Commerzbank mit einem Strafverfahren.
Um dieses abzuwenden, willigte die Großbank aus Frankfurt am Main im März 2015 unter anderem ein, 1,3 Milliarden Euro Bußgeld an die US-Staatskasse zu zahlen und vier Mitarbeiter zu entlassen, unter ihnen Lars Christiansen aus Hamburg. Darüber berichteten Panorama und die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Dezember 2016.
Kein Verstoß gegen deutsches oder EU-Recht
Das Bemerkenswerte an dem Vorgang war, dass weder die Commerzbank noch ihr Mitarbeiter Christiansen gegen geltendes Recht der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union verstoßen hatten. Die Zahlungstransfers, die Christiansen von Hamburg aus für die staatliche iranische Reederei ausgeführt hatte, standen im Einklang mit deutschem und europäischem Recht. Die US-Regierung wollte jedoch den Handel der Europäer mit Iran einschränken und tat das unter Berufung auf nationales US-Recht. An Christiansen sollte offenbar ein abschreckendes Exempel statuiert werden.
Der Hamburger Spezialist für Cash Management und International Business wehrte sich gegen seine Entlassung. Nun ist klar: mit Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte die Kündigung bereits vor einem Jahr als unrechtmäßig gewertet. Die Richter hatten festgestellt, dass Christiansen nicht wegen Fehlverhaltens, sondern allein wegen des Drucks durch Dritte, also die Behörden der Vereinigten Staaten, hatte gehen müssen. Der Commerzbank kreideten die Richter an, sich nicht genügend vor ihren Mitarbeiter gestellt zu haben.
Commerzbank zieht Berufungsantrag zurück
Dieses Urteil ist nun rechtskräftig. Die Commerzbank hat ihren Antrag auf Berufung gegen das Urteil vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt zurückgezogen. Ursprünglich wollte die Bank die Kündigung vor der obersten Instanz durchfechten. Panorama und der F.A.Z. liegt der 19-seitige Antrag vor, mit dem sie Christiansens Entlassung begründet. Darin behauptet die Commerzbank nicht mehr, sie habe ihrem Mitarbeiter wegen Pflichtverletzungen gekündigt.
Das hatte der Vorstand noch behauptet, als Panorama auf einer Pressekonferenz vergangenen September nach dem Kündigungsgrund gefragt hatte. Panorama wies nach, dass die Bank sich gegenüber den Amerikanern verpflichtet hatte, vor der Öffentlichkeit die Kündigung mit "Fehlverhalten" zu begründen.
Druck der US-Behörden "hoch", "gewaltig", "außerordentlich"
In dem vertraulichen Antrag vor dem Bundesarbeitsgericht hingegen lässt die Commerzbank die Hüllen fallen. In dem Papier erklärt sie nun ihr Vorgehen allein mit dem Druck, den die US-Behörden auf sie ausgeübt haben. Es sei zwecklos gewesen, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Um das "evidente Über/-Unterordnungsverhältnis" deutlich zu machen, spart die Commerzbank nicht mit Adjektiven. "Hoch", "gewaltig", "außergewöhnlich" ja "außerordentlich" sei der Druck der Amerikaner gewesen.
Man habe "nicht auf gleicher Augenhöhe" verhandelt. Hätte man sich nicht gebeugt, hätte man die Banklizenz in New York verloren. Nur "der äußeren Form nach" habe die Bank mit den US-Behörden eine "Vereinbarung" geschlossen. In Wahrheit sei es "eine Anweisung" gewesen, die Auflagen umzusetzen. Und dazu habe eben auch gehört, Christiansen zu kündigen. "Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein Kündigungsgrund gegeben ist und ob die Kündigung mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist," schreibt der Rechtsvertreter der Commerzbank.
Commerzbank wird von einem "Monitor" überwacht
Warum die Frankfurter Bank diesen Antrag im letzten Moment zurücknahm, ist unklar. Der Sprecher der Commerzbank wollte sich weder hierzu noch zu dem Verfahren insgesamt äußern. Klar ist, dass bis mindestens März 2018 ein "Monitor" die Bank im Auftrag der US-Behörden überwacht. Der "Monitor" soll sicher stellen, dass die Bank alle Auflagen erfüllt. Nach Recherchen von Panorama und der F.A.Z. handelt es sich dabei um die amerikanische Unternehmensberatung AlixPartners, die nach eigenen Angaben deutsche Niederlassungen in München und Düsseldorf hat. Zu seinen Aufgaben in Bezug auf die Überwachung der Commerzbank wollte AlixPartners sich nicht äußern.
Nach deutschem Arbeitsrecht ist die Entlassung Christiansens rechtswidrig. Aber der hat erst einmal nichts davon. Seit fast zwei Jahren bekommt er keinen Lohn. Die Bank begründet das damit, dass sie ihm einen anderen Job angeboten habe. Aber der war nicht gleichwertig mit Christiansens bisheriger Anstellung, wie auch das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigt hat. Deshalb schlug er das Angebot aus. Sollte es keine Gesamtlösung geben, sagt Christiansen, werde er auch die Fortzahlung seines Lohnes einklagen.
Auch deutsche Urteile schützen nicht
Trotz seines Sieges vor Gericht muss Christiansen also immer noch kämpfen. Die Commerzbank hat ihn öffentlich des Fehlverhaltens bezichtigt. Obwohl das eine Lüge war, bekommt er in der Bankenwelt keinen Job mehr. Deshalb verlangt er von der Bank eine Ehrenerklärung, wonach er sich keine Pflichtverletzung zu Schulden hat kommen lassen. Dies verweigert ihm sein Arbeitgeber. Einem solchen Vorschlag werde man nicht näher treten, teilt dazu der Rechtsvertreter der Commerzbank mit.
"Eine Absetzbewegung" von derVereinbarung mit den Amerikanern werde es nicht geben. "Die Bank redet mit mir, als würde sie nicht nur mich ansprechen, sondern als gehe jede Nachricht an mich auch an den Monitor," meint Christiansen. Nach mehr als zwei Jahren quälender Auseinandersetzung hat er gelernt: Der Druck, den die Commerzbank von den Amerikanern bekommt, leitet sie an ihn weiter. Der Schutz eines deutschen Gerichtsurteils scheint da nur bedingt zu helfen. Lars Christiansen muss weiter mit seinem Arbeitgeber verhandeln: um eine Abfindung, um ein neues gleichwertiges Jobangebot.