Kontrastmittel: Ermittlungen gegen Groß-Radiologen
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nach Informationen von NDR, WDR und SZ gegen Winfried Leßmann, den Chef der größten Radiologie-Kette Deutschlands, wegen des Verdachts auf Betrug.
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung gegen Winfried Leßmann, den Chef der größten Radiologie-Kette Deutschlands, wegen des Verdachts auf Betrug. Leßmann und seine Frau sollen sich am Geschäft mit Kontrastmitteln bereichert haben.
Der Leverkusener Radiologe Winfried Leßmann hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren zum größten Betreiber von radiologischen Praxen in Deutschland gemausert. Schritt für Schritt kaufte seine Unternehmensgruppe "Med360°" eine Arztpraxis nach der anderen in Deutschland auf. Heute gehören ihm Praxen nicht nur in ganz Nordrhein-Westfalen, sondern von Bayern und Baden-Württemberg bis nach Mecklenburg-Vorpommern.
Doch inzwischen hat Leßmann Ärger mit der Justiz. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn und seine Ehefrau Dagmar Diwo-Leßmann wegen des Verdachts auf Betrug. Die Leßmanns sollen mit Röntgen-Kontrastmitteln unrechtmäßig mehrere Millionen Euro nebenher verdient haben. "Weitere Informationen können aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gemacht werden", teilt die Staatsanwaltschaft Köln auf Anfrage mit.
Leßmann: "Kein Kommentar"
Konkrete Fragen zum Fall lässt auch Winfried Leßmann unbeantwortet. Über seinen "Medienberater" Klaus Kocks, der auch seine Frau vertritt, lässt er lediglich mitteilen: "Sie werden keine öffentliche Kommentierung in einem schwebenden Verfahren erwarten." Auch zu Branchengerüchten, dass Leßmann trotz des Ermittlungsverfahrens in diesem Jahr vor einer weiteren größeren Übernahme steht, teilt Kocks nur mit: "Kein Kommentar". NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten im Februar 2020 das Geschäftsgebaren des Ehepaars Leßmann aufgedeckt. Nach Bekanntwerden des Falls erstattete die Krankenkasse KKH Strafanzeige gegen Leßmann. Im Kern geht es um Folgendes: Die zahlreichen zu Leßmann gehörenden radiologischen Praxen sollen jahrelang ihre Röntgenkontrastmittel bei der kleinen Firma "Radiomed - Service für radiologische Großpraxen" bestellten haben. Die Firma gehörte zu über 90 Prozent Leßmanns Ehefrau Dagmar Diwo-Leßmann, heute gehört ihr laut Bundesanzeiger noch gut die Hälfte, der Rest den volljährigen Kindern des Paares.
Kontrastmittel lange Zeit lukrativ für Händler
Kontrastmittel waren für Händler lange Zeit ein äußerst lukratives Geschäft in Deutschland. Firmeninterne Unterlagen von Herstellern belegen, dass Zwischenhändler zum Beispiel einen Liter MRT-Kontrastmittel für 1.000 Euro einkauften, aber für 6.000 Euro bei den Krankenkassen abrechneten, was einen Gewinn von 5.000 Euro pro Flasche ergab. Bereits 2019 hatten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung diese Gewinnspannen aufgedeckt. In der Folge kürzten die Krankenkassen bundesweit die Erstattungspreise zum Teil drastisch.
In einem Interview mit Panorama hatte Leßmann vor einem Jahr versichert, "dass alle diese Dinge, die hier in der Vergangenheit gemacht wurden, nach deutschem Recht und Gesetz völlig in Ordnung sind". Gleichzeitig hat er aber auch eingeräumt, dass die Kontrastmittel-Rezepte aus seinen Radiologie-Praxen "bis Ende 2016" an die Firma seiner Frau flossen, die als Großhändlerin die Kontrastmittel bei Pharmafirmen günstig einkaufen und bei den Kassen zum deutlich höheren Listenpreis abrechnen konnte.
Millionschwere Firma - mit drei Mitarbeitern
2018 habe die Firma seiner Frau die Großhandelserlaubnis aber zurückgegeben, so Leßmann. Heute handele Radiomed nicht mehr mit Kontrastmitteln, sondern unter anderem mit Immobilien und Computerfirmen. Laut der neuesten im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz verfügt sie über ein erstaunliches Vermögen: Neben einem Jahresüberschuss von 17 Millionen Euro weist sie Finanzanlagen von mehr als 46 Millionen Euro aus - und das alles bei nur drei Mitarbeitern. Wie viel des Millionenvermögens aus dem Handel mit Kontrastmitteln stammt, ist unklar.
Dina Michels, die Korruptionsbeauftragte der Krankenkasse KKH, die nach Bekanntwerden der Firmenverflechtungen Strafanzeige erstattet hat, begrüßt die neue Entwicklung im Fall Leßmann: "Wir freuen uns sehr über das eingeleitete Ermittlungsverfahren und hoffen auf zeitnahe Ergebnisse." Schließlich hält Michels die Kontrastmittel-Einkäufe bei einer Firma, die der eigenen Ehefrau gehört, für "hochproblematisch". Denn Ärzte sollen ja nicht an der Verordnung von Kontrastmittel verdienen, so Michels. "Und wenn sie dieses Geschäft über die Ehefrau machen, dann verdienen sie über diese Verbindung eben doch wieder an den eigenen Verordnungen."
Auch Thomas Fischer, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof (BGH) und Verfasser eines maßgeblichen Kommentars zum Strafrecht, kritisierte, dass Winfried Leßmann als Chef der Unternehmensgruppe davon profitiere, wenn seine Frau hohe Gewinne mit den Kontrastmittel-Rezepten mache. Die von Leßmann selbst behauptete angeblich strikte Trennung von seinem Radiologie-Imperium und der Handelsfirma seiner Ehefrau sei "ein relativ unredliches Argument, weil es die eigentliche Motivation nur sehr unzureichend wiedergibt", so der ehemalige BGH-Richter.