Stand: 11.05.2016 17:15 Uhr

Grafing: Die Täter-Lüge der Lügenpresse-Rufer

von Ben Bolz
Blumen am Bahnhof von Grafing sollen an die Opfer einer Messerattacke erinnern. © dpa Foto: Peter Kneffel
Blumen für die Opfer des Messerstechers in Grafing bei München.

Heute morgen bekam ich eine Nachricht von einem Bekannten aus München, der mich immer mal wieder mit den Vorwurf konfrontiert, dass ich doch für die "Lügenpresse" arbeite. Er schickte mir einen Link zu einem Artikel mit der Überschrift: "Messerattacke von Grafing - Die Täter-Lüge über den angeblich Deutschen Paul H". Darin schreibt der Blogger Marco Delgardo, er verfüge über "gute Kontakte in Polizeikreise", und die hätten ihm gesagt, der mutmaßliche Täter habe einen "Migrationshintergrund". Ein Artikel, der sich in gewissen Kreisen im Netz rasant verbreitete, wie auch "Spiegel online" heute berichtet hat.

"Was soll man jetzt glauben?", schreibt einer bei Facebook, und "Erstickt an euren Lügen, verdammte Presse…" ein anderer, so Spiegel Online. Und selbstverständlich veröffentlichte auch Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins "Compact", die angebliche News in seinem Blog - unter der Überschrift "Islamistischer Terror in Grafing bei München? Davon will die Lügenpresse nichts wissen."

Täter hat keinen Migrationshintergrund

Delgardo hat sich in einem weiteren Artikel inzwischen zwar in Teilen korrigiert. Nicht aber in dem Punkt, dass der mutmaßliche Täter unter Umständen einen Migrationshintergrund habe. Deswegen habe ich direkt mit der Pressestelle des LKA Bayern in München telefoniert. Die Antwort: Dreimal - gestern abend, über Facebook und heute morgen in einer Pressemitteilung - habe man nun schon klipp und klar folgendes festgestellt: "Bezugnehmend auf derzeit im Internet und in den sozialen Netzwerken kursierende Gerüchte bezüglich eines evtl. vorliegenden Migrationshintergrunds des Täters, wird mitgeteilt, dass der Festgenommene über keinen Migrationshintergrund verfügt."

KEIN MIGRATIONSHINTERGRUND. Es wäre sehr schön, wenn all diejenigen, die etwas anderes auf ihren Seiten verbreitet haben, dies nun auch richtig stellen würden. Und was meinen Bekannten in München angeht: Ich hoffe, dass ich ihn einmal mehr oder zumindest dieses eine Mal überzeugt habe, dass nicht ich für die "Lügenpresse" arbeite - sondern er Menschen im Netz aufgesessen ist, die Lügen verbreiten.

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