Stand: 24.03.2016 12:50 Uhr

Gegendarstellung: Rassismus auch ohne Brandstiftung

Seit kurzem fordern Einwohner von Gerstungen in Thüringen eine Gegendarstellung von Panorama. Auch eine Lokalzeitung schreibt über "eine Genugtuung für eine ganze Gemeinde, die in die rechte Ecke gestellt wurde: Die Staatsanwaltschaft schließt ein fremdenfeindliches Motiv nach Brand eines Wohnhauses in Gerstungen aus und hat stattdessen den Eigentümer selbst als Verdächtigen im Visier." Das Ermittlungsergebnis, so wird der Vertreter eines Kulturvereins zitiert, sei "deshalb so wichtig, weil die Vorverurteilung des Falls und die anschließende überregionale Berichterstattung in den Medien (ARD/Panorama) ein so schlechtes Licht auf die Gemeinde warf und unnötig Porzellan zerschlagen habe. Nun müsse man zur Kenntnis nehmen, dass wohl niedere Beweggründe der Eigentümer dazu beigetragen haben, eine ganze Region in die rechte Ecke zu rücken."

Ende gut, alles gut?

Plakat auf einem Wagen bei der Gerstunger Kirmes.
Wenige Tage nach dem Brand fand in Gerstungen die Kirmes satt - mit diesem Plakat.

Es gibt da ein Problem: In der Panorama-Berichterstattung zu Gerstungen ging es weniger um das Motiv des Brandstifters als vielmehr um den Umgang einiger Gerstunger mit diesem Brand. Von Betroffenheit war nämlich wenig zu spüren. An einem Wagen bei einem Kirmesumzug, der wenige Tage später stattfand, hieß es spöttisch auf einem Plakat: "Abgebrannt ist uns’re Hütte. Gebt uns Asyl, bitte, bitte! Aber kein Container, nein. Kann es vielleicht ein Schlösschen sein?"

Wenig sensibel zeigte sich damals auch die Dorfjugend, als sie für das Gruppenfoto posierte: "Und jetzt alle mal den rechten Arm hoch". Und im Interview sahen einige Gerstunger auch eine gewisse Berechtigung für den Brandanschlag.

Panorama: "Wie finden Sie sowas?"
Gerstunger: "Schon schlimm. Aber das zeigt eben den Unmut der Bevölkerung. Dass sie unzufrieden ist. Weil das jetzt überhand nimmt hier. Fühlt sich keiner mehr so richtig sicher. Für das eigene Volk wird nicht so viel getan, sage ich mal." "Anstecken müssen sie es nicht. Aber wenn der Staat das ordentlich regeln würde,würden auch keine Brandanschläge da sein. Der Staat lässt ja alles rein." "Kommen immer mehr rein, ne."

Panorama: "Aber darf man dann das Recht so selbst in die Hand nehmen?
Gerstunger: "Nein, das auf keinen Fall. Aber wenn wir nicht gehört werden, dann passiert sowas. Und dann gibt es halt Menschen, die machen das."

An dieser Berichterstattung gibt es bis heute nicht den geringsten Zweifel. An der Einstellung einiger Einwohner wohl eher.

 

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 17.09.2015 | 21:45 Uhr

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