Stand: 06.09.2012 16:20 Uhr

Die Rentenlüge

von Andrej Reisin
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht im Deutschen Bundestag in Berlin. © dpa Foto: Wolfgang Kumm
Sorgt sich angeblich um Altersarmut, stößt mit ihren Plänen aber auf breite Kritik: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Selbst Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen muss mittlerweile in internen Papieren eingestehen: Millionen Menschen in Deutschland droht in Zukunft Altersarmut. Wenn die beschlossenen Pläne zur Kürzung des Rentenniveaus umgesetzt werden, fallen selbst Beitragszahler, die 35 Jahre lang 2500 Euro brutto im Monat verdient haben, im Rentenalter auf Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsniveau zurück: Ab 2030 erhielten solche Arbeitnehmer nur eine Rente in Höhe des Grundsicherungsbetrags von 688 Euro.

Das berichtete die "Bild am Sonntag", die aus einem Schreiben der Ministerin zitierte, das der Zeitung vorliegt. Über ein Drittel der Rentner müssten – so von der Leyen – "mit dem Tag des Renteneintritts den Gang zum Sozialamt antreten". Die Zeitung nutzte die Gelegenheit, um wieder einmal die Werbetrommel für die private Altersvorsorge zu rühren.

Laut statistischem Bundesamtes verdienen 36 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten allerdings maximal 2.500 Euro im Monat. Viele Geringverdiener erreichen aber noch nicht einmal diesen Betrag. Den meisten von ihnen fehlen daher schlicht und ergreifend auch die Mittel, um privat vorzusorgen. Davon abgesehen würden viele von ihnen auch mit Riester- oder Rürup-Rente nicht einmal das Niveau der Grundsicherung erreichen. Da ihnen die Privatrente aber von der Grundsicherung abgezogen wird, sorgen diese Menschen gewissermaßen umsonst vor – und mindern damit ihr ohnehin schon geringes Einkommen zusätzlich.

VIDEO: Neue Arbeitswelt, altes Rentensystem: Wer verliert? (7 Min)

Neu ist das alles nicht

Noch gar nicht in der Rechnung aufgetaucht sind Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien, die heutzutage eher die Regel als die Ausnahme darstellen, wie Panorama Anfang 2012 berichtete. Zu Beginn des Jahres hatte Panorama außerdem bereits die eklatante Ungerechtigkeit des dreiteiligen Rentensystems moniert. Schon 2011 hatten unsere Recherchen ergeben, dass ohnehin kaum ein Arbeitnehmer das Rentenalter von 67 tatsächlich erreicht, die Anhebung also nichts als eine versteckte Rentenkürzung ist.

Bereits damals hatten wir zudem festgestellt, dass immer mehr Rentner nebenbei arbeiten müssen, um sich eine menschenwürdige Existenz zu sichern. Und schon im Dezember 2008 - also vor rund vier Jahren! - hatte Panorama festgestellt, dass der Durchschnittsarbeitnehmer zukünftig 37 Jahre in die Rentenversicherung einzahlen muss, um eine Rente in Höhe der Sozialhilfe zu bekommen. So neu wie „Bild am Sonntag“ und Ursula von der Leyen diese Erkenntnis nun verkaufen wollen, sind die Fakten also keineswegs. Die Frage ist: Wann unternimmt die Politik endlich etwas gegen die drohende Massen-Altersarmut? Und vor allem: Was?

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Dieses Thema im Programm:

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