"Das ist Augenwischerei"
Seit acht Jahren habe es keine Anhebung der Bezüge für den Lufthansa-Vorstand gegeben - so rechtfertigt Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber unter anderem die Vergütungserhöhung für Carsten Spohr und seine Vorstandskollegen. Dr. Heinz Evers berechnet seit 40 Jahren, was Vorstände in Unternehmen wirklich verdienen. Er war Leiter der Kienbaum-Vergütungsberatung in Gummersbach und ist mittlerweile selbstständiger Unternehmensberater. Evers ist Initiator und Herausgeber der jährlichen Studien zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung. Für Panorama hat er die Vergütungsberichte der Deutschen Lufthansa AG analysiert.
Panorama: Sie haben sich die Vergütungsberichte in den Geschäftsberichten der Lufthansa seit 2008 angeschaut. Was ist Ihnen aufgefallen?
Dr. Heinz Evers: Die Berichte sind erheblich umfangreicher geworden. Umfasste der Lufthansa-Bericht 2008 noch drei Seiten, sind es aktuell bereits acht. Mit der Informationsfülle hat sich allerdings der Informationsgehalt nicht in gleichem Maße verbessert. Der Durchblick, was die Vorstände nun tatsächlich im Geschäftsjahr verdient haben, fällt selbst dem fachkundigen Leser schwer, der normale Aktionär ist eindeutig überfordert.
Der Aufsichtsrat der Lufthansa hat für 2016 eine Anhebung der Vorstandsvergütung beschlossen und begründet dies unter anderem damit, dass die letzte Anhebung im Jahr 2008 erfolgt sei. Das sei ein außerordentlich langer Zeitraum...
Der Hinweis auf die letzte Anhebung der Bezüge in 2008 ist irreführend. Der jetzige Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber müsste es besser wissen. Als er 2008 noch Vorstandvorsitzender war, lagen seine Festbezüge bei 726.000 Euro. Der aktuelle Chef Carsten Spohr bezog im Jahr 2015 dagegen immerhin etwas über 1,2 Millionen Euro. Das ist eine Anhebung um satte 66 Prozent. Die gleiche Anhebung erfolgte auch in der Position des Finanzvorstands von 519.000 Euro auf 863.000 Euro. Dass sich die Höhe der Gesamtvergütung gegenüber 2008 nur unwesentlich erhöht hat, liegt an der überwiegend schlechten Ertragslage der Gesellschaft. Zudem wurde die Lufthansa 2008 von nur drei Vorständen geführt, heute sind es fünf.
Der Rückgriff auf 2008 ist allerdings auch kaum relevant, da die derzeit amtierenden Vorstände überwiegend erst 2013 oder 2014 ihr Amt angetreten haben und seit dieser Zeit durchweg beachtliche Vergütungserhöhungen erfahren haben. So erhöhten sich die Gesamtbezüge von 2014 auf 2015 bei zwei Mitgliedern um 23 Prozent, beim Vorsitzer sogar um 33 Prozent.
Da drängt sich der Eindruck der Verschleierung auf...
Das ist Augenwischerei. Es wird suggeriert, dass da Leute sitzen, die seit 2008 keine Gehaltserhöhung bekommen haben.
Ist die Erhöhung denn angemessen?
Sicherlich können die Vorstände in 2015 ein gutes Ergebnis vorweisen. Dafür haben sie auch eine erhebliche Vergütungssteigerung erfahren. Mag sein, dass dieser Anstieg für das gute Jahr verdient war. Aus diesem einen Jahr allerdings abzuleiten, die Vergütung müsse grundlegend angehoben werden, erscheint kühn. Dies gilt insbesondere auch für die angekündigte Zehn-Prozent-Steigerung der variablen Vorstandsbezüge als Konsequenz der Zielgrößen-Umstellung. Lufthansa zeichnet sich durch eine extreme Berg- und Talfahrt bei den Ergebnissen aus. Erst wenn hier eine nachhaltige Stabilisierung erreicht ist, sollte der Aufsichtsrat über eine Anpassung der Bezüge nachdenken.
Angesichts der - gemessen an der Ertragssituation der letzten Jahre - bereits relativ hohen Festbezüge von Spohr, erscheint die weitere Erhöhung um 14 Prozent unangemessen. Was die Festbezüge angeht würde das Spohr innerhalb des DAX etwa auf Rang zehn katapultieren. In diese Kategorie gehört aber die Lufthansa von den Ergebnissen her noch lange nicht.
Der Aufsichtsrat rechtfertigt die Erhöhung auch damit, dass die Gesamtvergütung der Vorstände bei der Lufthansa im Vergleich mit anderen DAX-Unternehmen deutlich zu niedrig liege.
Weniger der Vergleich ist problematisch als die daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Wenn eine Gesellschaft seit Jahren zu den Schlusslichtern im Ertrags-Ranking zählt, gehört sie auch vergütungsmäßig zu Recht entsprechend eingestuft. Aufsichtsräte empfinden es nach meinen Beobachtungen vielfach als Manko, wenn ihre Vorstände im Vergütungs-Ranking im unteren Viertel rangieren. Sofern sie aber nicht nachhaltig höhere Erträge erwirtschaften, gehören sie dort durchaus hin. Als Aufsichtsrat sollte man sich sagen: Unsere Firma spielt nun mal in einer schwachen Ertragsklasse und so sollten auch die Vorstandsgehälter sein. Ich kann keine Bundesligagehälter in der Landesliga zahlen.
Überall bei der Lufthansa soll der Gürtel enger geschnallt werden, um im Markt zu bestehen. Was ist das für ein Signal, wenn die Vorstandsgehälter in dieser Situation angehoben werden?
Die Anhebung der Grundvergütung des Vorstandchefs um 14 Prozent ist ein falsches Signal. Er hat mit 100.000 Euro festen Monatsbezügen keineswegs ein Vergütungsdefizit innerhalb des DAX-Rahmens. Vergütungserhöhungen sollten grundsätzlich über die Steigerung der Ergebnisse verdient werden und dazu noch möglichst pensionsneutral.
Was empfehlen Sie den Aktionären bei der Lufthansa-Hauptversammlung, die die Änderung des Systems zur Vorstandsvergütung billigen sollen?
Meine Empfehlung: Die Aktionäre sollten die Beschlussvorlage ablehnen. Dadurch können sie die bereits vollzogenen Maßnahmen zwar nicht rückgängig machen; sie geben dem Aufsichtsrat aber ein deutliches Signal, künftige vergütungspolitische Entscheidungen sorgfältiger zu überdenken.
Das Interview führte Robert Bongen