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Deutschlands neue Imame - Wozu brauchen wir sie?

Montag, 25. September 2023, 22:00 bis 22:45 Uhr

Mehr als fünf Millionen Muslimen leben in Deutschland. Doch in den etwa 2.500 Moscheen finden sich viele der hier aufgewachsenen Gläubigen nicht wieder. Denn die meisten Imame sprechen schlecht Deutsch, wurden im Ausland ausgebildet und sind dort sozialisiert. Sie verstehen die junge Generation Muslime oft nicht. Deutschland braucht neue, deutsche Imame. Allerdings fehlte bisher eine praktische Ausbildung. Und wer soll sie für die neuen Imame bezahlen?

Die 45 Min-Dokumentation lässt jene zu Wort kommen, die in der Diskussion um Islam und Imame selten gehört werden: deutsche Muslime, die sich als Brückenbauer für die Gesellschaft einsetzen.

"In Deutschland reden alle über den Islam, nur die Imame nicht. Und der Grund dafür ist, dass die meisten Imame aus dem Ausland kommen, der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sich hier fremd fühlen und die Kultur nicht kennen", sagt Bülent Uçar, Direktor des Islamkollegs Deutschland.

Erstmals unabhängige Ausbildung von Imamen

Im Juni 2021 startet der erste Jahrgang des neu gegründeten Islamkollegs in Osnabrück. Das erste Mal in der Geschichte werden nun Imame in Deutschland ausschließlich in deutscher Sprache ausgebildet. Das Kolleg arbeitet unabhängig von islamischen Verbänden und wird vom Bundesinnenministerium und dem Land Niedersachsen finanziert: ein Meilenstein in der Geschichte der Muslime in Deutschland.

Auch Frauen studieren am Islamkolleg Osnabrück

Zwei Jahre lang lernen 18 Menschen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam alles, um eine Gemeinde praktisch leiten zu können. Vier von ihnen sind Frauen, so wie die Oldenburgerin Elif Demirkan-Çoban: "Mir geht es nicht darum, dass ich als Vorbeter irgendwo arbeiten werde.

Elif Demirkan-Çoban sitzt an einem Tisch vor einem bunten Bücherregal - kurz vor ihrer Abschlussprüfung. © NDR
Elif Demirkan-Çoban aus Oldenburg will ihr ehrenamtliches Engagement professionalisieren.

Das ist nicht mein Ziel. Das überlasse ich den Männern. Aber als Imam arbeiten, heißt ja nicht nur, als Vorbeter zu arbeiten, sondern wirklich Gemeindearbeit zu leisten: Koran rezitieren, Predigtlehre und Seelsorge. Das machen auch viele Frauen."

Die muslimischen Absolventinnen und Absolventen sollen eine Lücke im System schließen: "Die jüngere Generation der muslimischen Menschen, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat keinen Bezug mehr zu den alten Imamen", so Uçar. Deshalb liege es im Interesse aller, dass in den Moscheen moderne, deutsche Imame arbeiten, sagt er.

Vom Traum Vollzeit-Imam zu sein

Muhamed Memedi ist als Kind aus Mazedonien nach Deutschland gekommen. Sein großes Vorbild ist sein Vater Shinasi, der seit den 1990er-Jahren als Imam eine mazedonische Gemeinde leitet. Davon kann er allerdings nicht leben, denn die kleine Bejtullah-Moschee in Düsseldorf finanziert sich über Spenden. Hier Imam zu sein, bedeutet lediglich einen Minijob zu haben.

"Wir haben jetzt durch die Ausbildung die Möglichkeit, einen Titel als Imam zu bekommen, der in Deutschland auch anerkannt ist. Aber wir wissen immer noch nicht, wie es in Zukunft ist: Wer wird uns einstellen?", fragt Muhamed sich zu Beginn der Ausbildung. Wird sein Traum, als Vollzeit-Imam zu arbeiten am Ende in Erfüllung gehen?

Ender Çetin predigt in einer Moschee in Osnabrück. © NDR
Der Berliner Ender Çetin hält seine Predigtprüfung vor Publikum.

In Berlin arbeitet Ender Çetin unter anderem als Seelsorger in der Jugendstrafanstalt. Ihn treiben vor allem die Fragen junger Muslime um: "Es sollten eigentlich mehr Moscheen in den sozialen Netzwerken tätig sein, weil es die Gefahr gibt, dass gerade extreme Stimmen, extreme Sichtweisen Lücken sehen in den sozialen Medien und versuchen, diese zu füllen, indem sie auf TikTok, auf YouTube und auf Instagram Predigten halten." Er merke in der Kinder- und Jugendarbeit immer wieder, dass Prediger in sozialen Netzwerken Einfluss ausüben: "Da merken wir, dass wir viel mehr Arbeit brauchen."

Was bringt die Ausbildung zum Imam ihren Absolventen?

Die Autorinnen Carolin Fromm und Katrin Hafemann haben Elif, Ender und Muhamed für den Film zwei Jahre lang begleitet. Sie sind bei der Eröffnung des Islamkollegs dabei, im Unterricht, bei Prüfungen und Ausflügen. Zudem besuchen sie die drei zu Hause und zeigen, welchen Beitrag sie für die Gesellschaft leisten. Wer sind die neuen deutschen Imame und Religionsgelehrten? Was wird im Islamkolleg unterrichtet? Was entsteht aus dem ersten Jahrgang und was bringt die Ausbildung ihren Absolventinnen und Absolventen?

Weitere Informationen
Ein Dozent steht vor den Kollegiaten des Islamkolleg in einer Moschee. © NDR

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Redaktion
Kathrin Becker
Regie
Carolin Fromm
Autor/in
Carolin Fromm
Produktionsleiter/in
Anja Reingold
Redaktionelle Mitarbeit
Birgit Wärnke
Autor/in
Katrin Hafemann
Regie
Katrin Hafemann
Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

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