Das Ohnsorg-Theater erobert das Fernsehen
Im März 1954 war das Ohnsorg-Theater zum ersten Mal am Samstagabend im Ersten zu Gast bei den deutschen Fernsehzuschauern. Das neue Medium Fernsehen ermöglichte es, die Arbeit der Hamburger Theatergruppe deutschlandweit zu zeigen.
Die Stücke des Ohnsorg-Theaters wurden über die Grenzen Hamburgs und Norddeutschlands hinaus bekannt; viele seiner Ensemble-Mitglieder entwickelten sich zu Fernsehstars. Verwechslungs- und Situationskomik, Klatsch und Tratsch, das versöhnliche Happy End – die Volkstheater-Unterhaltung aus dem Norden wurde populär.
"Das Ohnsorg-Theater hat wieder einmal zu einem schönen Fernseh-Abend am Wochenende beigetragen", schrieb ein Zuschauer aus Neustadt, und ein anderer aus Stuttgart hielt fest: "Heidi Kabel und Henry Vahl waren großartig. Die Ohnsorg-Bühne hat uns noch nie enttäuscht". Begeisterte Zuschriften wie diese beiden aus dem Jahr 1962 waren häufig in der Programmzeitschrift "Hör zu!" zu lesen. Die Schwänke und Komödien aus dem Norden erfreuten sich in ganz Fernseh-Deutschland großer Beliebtheit.
Beginn einer langen Fernseh-Ehe
Diesen Siegeszug hatte die Aufführung des Stücks "Seine Majestät Gustav Kruse" am 13. März 1954 eingeleitet. Damals war noch das Fernsehen des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) für die Übertragung verantwortlich. 4.200 DM Honorar, so wird es in der Geschichte des Ohnsorg-Theaters überliefert, brachte diese Fernsehausstrahlung der privaten Bühne ein. Beide Partner, das Hamburger Theaterunternehmen und die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, profitierten von der hier beginnenden Fernseh-Ehe.
Vor dem Erfolg stand jedoch die fieberhafte Suche nach einem unterhaltenden norddeutschen Programmangebot. Im Westen der Republik nämlich war wenige Monate zuvor, im Oktober 1953, das Funkhaus Köln des Nordwestdeutschen Rundfunks mit dem Millowitsch-Theater eine Allianz eingegangen. Unterhaltung mit regionaler Akzentsetzung und Volkstheater auf dem Bildschirm erwiesen sich damals als ein vielversprechendes Konzept. Die Frage stellte sich: Wer kam im Norden als Partner für den Rundfunk in Frage?
Plattdeutsch oder "Missingsch"?
Die 1902 von Richard Ohnsorg gegründete Theatergruppe hatte sich lange Zeit dem Auftrag verschrieben, niederdeutsche Bühnenkunst zu fördern und somit das Plattdeutsche zu pflegen. Für Fernsehmacher aber, die an das deutschsprachige Publikum von der Waterkant bis zu den Alpen denken mussten, war das Hochdeutsche die Grundbedingung für eine Zusammenarbeit. Allenfalls eine gewisse norddeutsche Klangfärbung und das ein oder andere Hamburger Idiom waren erlaubt.
Nach internen Diskussionen im Ensemble und in der Theaterleitung entschied man sich, für die Fernseh-Übertragungen eine leichte Form des "Missingsch" zu wählen, also jene Mischsprache, die entsteht, wenn niederdeutsche Sprecher versuchen, Standarddeutsch zu verwenden. Das "Ohnsorg-Missingsch" wurde als norddeutsche Sprachfärbung so populär, dass es vielerorts bis heute als typisch Hamburgisch gilt.
- Teil 1: Beginn einer langen Fernseh-Ehe
- Teil 2: Gut Ding will Weile haben