Von Hannover in die Welt mit Rolf Seelmann-Eggebert
Katastrophen und Unglücke sind die Ausnahmen im journalistischen Alltag. Im Februar 1962 verheert eine riesige Sturmflut die Küstenregionen Norddeutschlands. Für die Sondersendung der "Umschau am Abend“ am 17. Februar 1962 fährt Rolf Seelmann-Eggebert in den Norden Niedersachsens, nach Stade.
Er spricht von einem "Ausnahmezustand“, der auch in der "Zeitfunk“-Abteilung herrschte. Was sich in den Februartagen 1962 an den Küsten ereignete, war freilich nicht nur für Norddeutschland von großer Bedeutung. Die Berichte der Journalisten aus der Region stießen nun bundesweit auf Interesse.
Beim Wiederhören der damaligen Reportage fällt auf, wie informativ und packend Seelmann-Eggebert die Situation schildert. Im Radio kann man "fotografische Eindrücke wiedergeben“, so der Journalist im Interview. Wenn "die Sprache plastisch“ ist, "zwingt sie einen zum Zuhören“ - Bilder über die angespannte Lage müssen also nicht unbedingt sein.
Das "Wunder von Lengede“
Auch ein weiteres großes Unglück fiel in Seelmann-Eggeberts Zeit als "Zeitfunk“-Reporter. Am 24. Oktober 1963 wurden in der Schachtanlage Mathilde im ostniedersächsischen Lengede zahlreiche Bergleute verschüttet. 29 Tote waren zu beklagen. Aber es bestand die Hoffnung, mehrere festsitzende Bergmänner noch retten zu können.
Dieses Grubenunglück in Lengede entwickelte sich zu einem Medienereignis. Zentrum der Radio-Berichterstattung waren die "Funkbilder aus Niedersachsen“. In der Sendung vom 28. Oktober berichteten mehrere NDR Journalisten von den Rettungsmaßnahmen sowie von dem Rundfunkmikrofon, das bei einer Bohrung zu den Eingeschlossenen hinuntergelassen werden konnte. Ein Lebenszeichen war zu hören, doch das später so genannte „Wunder von Lengede“, die dramatisch verlaufende erfolgreiche Rettung von elf Bergleuten am 7. November, stand noch aus.
Am jenem 28. Oktober, dem Tag der ersten Kontaktaufnahme mit den Verschütteten, interviewte Rolf Seelmann-Eggebert Niedersachsens Ministerpräsidenten, Georg Diederichs. Deutlich hört man in dem Mitschnitt, wie der Landespolitiker angesichts der Katastraphe um Fassung ringt, Trauer und Hoffnung in der Stimme.
Die Queen und der drahtlose Sender
Am 27. Mai 1965 besuchten Queen Elizabeth II. und Prinz Philipp die niedersächsische Landeshauptstadt. Die Frage, die auf der Hand liegt: War dies der erste Kontakt mit dem britischen Königshaus? Rolf Seelmann-Eggebert bejaht, macht aber deutlich, dass die "Liebe“ zu den Royals erst über ein Jahrzehnt später entbrannte, in seiner Zeit als Auslandskorrespondent in London.
An die Aufnahme von 1965 erinnert er sich sehr deutlich, weil sie eine besondere "technische Herausforderung“ dokumentiert – den Einsatz eines kleinen drahtlosen Senders, der indes zunächst einmal technische Schwierigkeiten bereitete.
Der dem königlichen Konvoi hinterherfahrende Reporter Giselher Schaar zeichnete während der Übertragung ein lebendiges Bild von Hannover im Freudentaumel. Rolf Seelmann-Eggebert indes unterrichtete die Zuhörerinnen und Zuhörer unaufgeregt - wie im Ausschnitt zu hören - über die Probleme, die sich aus dem Einsatz der neuen Technik ergeben.
Herzensangelegenheit Afrika
Zu diesem Zeitpunkt war Seelmann-Eggebert bereits fest angestellt beim NDR. Seit 1. Dezember 1964 leitete er die Reportage-Abteilung im Landesfunkhaus Niedersachsen und verantwortete, wer als Reporter wohin geschickt wurde, um aus der Region zu berichten.
Die Arbeit im Studio ermöglichte es ihm aber auch, auf einem Interessengebiet journalistisch zu arbeiten, das ihm bereits seit den Studientagen am Herzen gelegen hatte – die Situation in Afrika, die Hilfe für die afrikanischen Staaten. Der Journalist erzählt, dass er unter anderem afrikanische Ethnologie im Nebenfach studiert habe.
Befragt nach der Feature-Reihe "Märchen und Wirklichkeit in der Entwicklungshilfe“ erzählt Seelmann-Eggebert, der Auslöser für diese Sendungen sei eine Reise nach Nigeria gewesen, zusammen mit einer Delegation der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Zurück in Hannover entstanden 1966 diese Features, die das Thema Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland aufgreifen und äußerst kritisch diskutieren.
1968 begann für Rolf Seelmann-Eggebert die Zeit als Auslandskorrespondent in Afrika. Sein erster Einsatz führte ihn nach Abidjan (Elfenbeinküste), anschließend ging es für vier Jahre nach Nairobi (Kenia). 1978 dann folgten Tätigkeiten als ARD-Fernsehkorrespondent und Studioleiter in London. Von 1982 bis 1989 war Seelmann-Eggebert Fernsehprogrammdirektor beim NDR.
"Man war sich bewusst, dass man für das wichtigste Medium der Zeit arbeitete, erst den Hörfunk, dann das Fernsehen“, bilanziert Seelmann-Eggebert. Sein journalistisches Selbstverständnis fasst er am Ende des Interviews so zusammen: "Korrekt zu informieren und so zu informieren, dass einem die Masse der Zuhörer bzw. Zuschauer auch folgen konnte – das war Verpflichtung.“
- Teil 1: Mit dem Tonband durch die Partnerstädte
- Teil 2: Starke Töne, starke Bilder