Private Konkurrenz - Der NDR in den 1980er-Jahren
Im Sendegebiet des NDR verbreitete sich der private Rundfunk langsam. Eine Statistik der Deutschen Bundespost von 1988 zeigt, dass in Hamburg 13,7 Prozent, in Schleswig-Holstein 16,9 Prozent und in Niedersachsen 17,5 Prozent aller Haushalte an das Kabelnetz angeschlossen waren. Von rund 11,4 Millionen Menschen im Sendegebiet des NDR hatten knapp 820.000 Menschen Zugang zum privaten Rundfunk.
Richtig erkannte Intendant Räuker, dass es keinen fundamentalen Umbruch gab. Die privaten Anbieter veränderten das Mediensystem der Bundesrepublik nicht von heute auf morgen, sondern unterzogen es einem langwierigen Wandlungsprozess. Der NDR, vom Konkurrenzkampf im Fernsehmarkt noch weitestgehend verschont geblieben, bekam mit R.SH und Radio Hamburg 1986 sowie Funk-Fernsehen Niedersachsen (ffn) 1987 erste private Kontrahenten im Hörfunk-Sektor, die dem NDR Marktanteile abspenstig zu machen versuchten. In diese Zeit fällt auch die eingangs zitierte Werbekampagne von R.SH. "Tapfer" musste der NDR angesichts der neuen Privatradios also tatsächlich sein.
Die Reform der Programme zahlt sich aus
Und der NDR war tapfer. Zugute kam ihm die im neuen Staatsvertrag festgelegte Programmreform, die auf eine Regionalisierung der NDR Programmangebote abzielte. Es machte sich bezahlt, dass der NDR die frühen 80er-Jahre genutzt hatte, um die im Staatsvertrag festgeschriebenen Änderungen im Programm zu verankern und beim Publikum beliebt zu machen. So teilte der NDR 1981 sein Hörfunkprogramm NDR 1, das er bisher gemeinsam mit dem WDR betrieben hatte, in drei regionale Ableger auf: NDR-Radio Niedersachsen, Welle Nord und Hamburg-Welle. Je weiter die Regionalisierung auch beim WDR voranschritt, desto mehr eigene Sendezeiten konnten die NDR Hörfunk-Landesprogramme für sich verbuchen. In Kooperation mit dem WDR wurden weiterhin Sendungen wie "Berichte vom Tage" oder das "Echo des Tages" produziert, die älteste Zeitfunk-Sendung im deutschen Radio, die übrigens bis heute ausgestrahlt wird.
Als Reaktion auf die privaten Hörfunkanbieter, die bis zu 24 Stunden pro Tag sendeten, legten die Programmdirektoren den Sendestart der NDR Radioprogramme ab 1. Januar 1987 auf 5:30 Uhr fest. Außerdem wurde von nun an auch am Sonnabend gesendet. Damit strahlte der NDR Hörfunk sein Programm erstmals an sieben Tagen in der Woche aus. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein verteidigte der NDR so seine Stellung als führender Landessender.
Werbung im Hörfunk finanziert den Programm-Umbau
Ein weiterer großer Vorteil war die Entscheidung des NDR Verwaltungsrats, zum 1. Januar 1981 Hörfunk-Werbung zuzulassen. Künftig sollte das 2. Hörfunkprogramm des NDR insgesamt 42 Minuten Werbung pro Werktag senden dürfen, jeweils in der Zeit zwischen 5 und 20 Uhr. Die Dauer der Werbezeit war allerdings bis 1988 umstritten, als die Ministerpräsidenten der drei Länder eine abschließende Vereinbarung trafen und somit die Entscheidung des Verwaltungsrats bestätigten. Die aus der Werbung gewonnenen zusätzlichen Einnahmen von rund 23 Millionen D-Mark pro Jahr investierte der NDR unter anderem in die Einführung der getrennten Landesprogramme.
Das NDR Fernsehen auf dem Weg zum Vollprogramm
Auch das NDR Fernsehen wurde im Laufe der 1980er-Jahre regionaler. Im September 1985 starteten die Regionalmagazine "Hamburger Journal", "Hallo Niedersachsen" und "Schleswig-Holstein-Magazin". Montags bis freitags wurde das Gemeinschaftsprogramm zwischen 19.25 Uhr und 19.45 Uhr für diese Magazine auseinandergeschaltet, die jedes Landesfunkhaus selbst produzierte. Inhalte der Sendungen waren Nachrichten und Reportagen aus dem jeweiligen Bundesland. Vor der Auseinanderschaltung wurden werktags die "Berichte vom Tage" und samstags "Die aktuelle Schaubude" ausgestrahlt. Im Laufe der Jahre baute der NDR sein Fernsehprogramm dann weiter aus, bis es ab 1. Januar 1989 ein vierundzwanzigstündiges Vollprogramm gab.
1987 trat Friedrich Wilhelm Räuker, der den NDR erfolgreich durch die unruhigen Gewässer der 1980er Jahre gesteuert hatte, aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück. Der Verwaltungsrat wählte im Laufe des Jahres Peter Schiwy zum neuen Intendanten. Ihm - und insbesondere seinem Nachfolger Jobst Plog - standen mit der Wiedervereinigung 1990 und dem Beitritt Mecklenburg-Vorpommerns als viertem NDR Staatsvertragsland neue, große Herausforderungen bevor.
Max Bahne ist freier Journalist und studiert Geschichtswissenschaften an der Universität Hamburg.
- Teil 1: Wer wird neuer Intendant?
- Teil 2: Ein langer Prozess