Die Tagesschau: Starke Marke mit Tradition und Zukunft
Der Hamburger gilt nicht gerade als "Feier-Biest". Im Gegenteil, der Hanseat schätzt auch in Momenten großen Glücks die Zurückhaltung. In dieser Hinsicht ist die Tagesschau sehr norddeutsch. Sie nimmt sich normalerweise nicht so wichtig. Aber im Dezember 2012 durfte die Tagesschau feiern, denn der Anlass war historisch: Die erfolgreichste Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen wurde 60!
Über ein halbes Jahrhundert Tagesschau, das ist für ein Format in einem elektronischen Medium ein geradezu biblisches Alter. 60 Jahre, in denen Nachrichten aus Hamburg zum festen Bestandteil der Abendgestaltung der Deutschen wurden. 60 Jahre, in der sich die Entwicklung von der Wochenschau bis zur erfolgreichsten deutschen Nachrichten-App für Smartphones vollzog.
Was ist geblieben?
Seit den Tagen der ersten Tagesschau - die erste offizielle Ausgabe lief am 26. Dezember 1952 - aus dem Hochbunker am Heiligengeistfeld hat sich alles verändert. Alles? Nein, trotz des tiefgreifenden Wandels der Medien ist viel mehr erhalten geblieben als auf den ersten Blick scheint. Das betrifft vor allem die Nachrichtenphilosophie von ARD-aktuell.
Die Auswahl der Themen für die Tagesschau richtet sich zuallererst nach der Frage: Was ist an diesem Tag wichtig? Die Relevanz eines Ereignisses ist bis heute das ausschlaggebende Kriterium, wenn es um die Themengewichtung und die Reihenfolge in der Sendung geht. Diese Relevanz macht sich in der Regel an der Zahl der Betroffenen fest, an der Tragweite der Folgen und an der Frage, wie einflussreich die Akteure sind. Erst in zweiter Linie achtet die Redaktion darauf, wie gut sich ein Thema bildlich umsetzen lässt. Auch der Gesprächswert spielt bei der Themenauswahl eine gewisse Rolle, wenn auch nur eine untergeordnete.
Ereignisse, denen die gesellschaftliche Relevanz fehlt, über die aber doch ein Großteil der Bevölkerung spricht, sozusagen das "Vermischte" wie Unglücksfälle, Kriminalität oder Gesellschaftsklatsch finden sich - wenn überhaupt - am Ende der Sendung, in nüchterner Verpackung und in einem deutlich geringeren Umfang als bei anderen Nachrichtenanbietern. Schon seit vielen Jahren versteht sich ARD-aktuell als eine primär politische Nachrichtenredaktion. Und die Zuschauer honorieren diese Linie durch das Vertrauen, das sie der Tagesschau schenken. Auch das ist eine Konstante: Seit mehr als 20.000 Sendungen ist die "Schau", wie das Team sie im Alltag nennt, die mit großem Abstand erfolgreichste Nachrichtensendung Deutschlands.
Was hat sich verändert?
Während die Idee von seriösen Nachrichten und Qualitätsjournalismus unverändert geblieben ist, hat sich die "Verpackung" der Tagesschau tiefgreifend verändert. So hat sich die Sprache von althergebrachtem Agenturdeutsch hin zur Alltagssprache entwickelt. Hölzerne Formulierungen des sogenannten "Politiker-Sprechs" werden in verständliches Deutsch "übersetzt" - eine ebenso schwierige wie verantwortungsvolle journalistische Aufgabe. Aber auch die Bildsprache von Nachrichtenbeiträgen hat sich verändert. Vorfahrende Limousinen sind fast völlig aus der Tagesschau verschwunden und haben Platz gemacht für übersichtliche Grafiken, die komplexe Zusammenhänge anschaulich und verstehbar machen.
Verändert haben sich inzwischen auch die Wege, auf denen die Nachrichten von ARD-aktuell die Menschen erreichen. Seit Mitte der 90er-Jahre ist die Tagesschau auch zu einer Online-Marke geworden. Das Portal tagesschau.de nutzt dabei die Chancen des Mediums Internet, um die Meldungen und Filmberichte der Tagesschau nicht nur auf Abruf bereitzuhalten, sondern mit zusätzlichen Hintergrundinformationen anzureichern.
Neue Formate ergänzen die Tagesschau-Flotte. Dies umfasst die moderierten Ausgaben am Tag, die Tagesthemen, das Nachtmagazin und tagesschau24. Hier hat die ARD unter der Federführung des NDR ein Angebot aufgebaut, bei dem die Zuschauer jederzeit zuschalten können und nach spätestens 15 Minuten einen vollständigen Nachrichtenüberblick haben. Damit trägt ARD-aktuell dem Bedürfnis der Zuschauer Rechnung, Nachrichten unabhängig von festen Sendezeiten sehen zu können.
Die "Tagesschau in 100 Sekunden" setzt diese Idee konsequent fort und erlaubt es seit 2007 auch, die Tagesschau völlig unabhängig vom Standort auf dem Handy zu nutzen. Weitere Verbreitungswege folgten. So lässt sich auf internetfähigen Fernsehern jederzeit eine aktuelle "Tagesschau-on-demand" abrufen. Trotz intensiver Kritik startete Ende 2010 die Tagesschau-App, eine kostenlose Anwendung für Smartphones, die die Nutzung von Tagesschau-Inhalten noch einfacher und komfortabler macht. Der Grad ihrer Nutzung zeigt, dass die Nachfrage nach Nachrichten der Marke Tagesschau auch heute noch ungebrochen ist. Dafür steht auch der Publikumspreis des Grimme-Online-Awards, mit dem die Tagesschau-App 2012 ausgezeichnet wurde.
- Teil 1: Was ist geblieben?
- Teil 2: Die Geschichte der Tagesschau in Bildern