1945 bis 1947: Der NWDR unter britischer Kontrolle
Neben dieser konkret eingeübten Lerngeschichte in Demokratie verfolgten die Westalliierten das Ziel, den Rundfunk in deutsche Hände zu übergeben. Nach den Erfahrungen in der Weimarer Republik und im "Dritten Reich" sollte der Rundfunk in Westdeutschland staatsunabhängig organisiert werden und soweit wie möglich von parteipolitischen Einflüssen frei sein.
Für diese alles andere als einfache Aufgabe suchten die Briten 1946 eine geeignete Persönlichkeit. Sie fanden sie in der Person von Hugh Carleton Greene. Der britische Journalist hatte in Marburg studiert und in Deutschland bis 1939 als Korrespondent gearbeitet, von 1940 an hatte er den deutschsprachigen Dienst der BBC geleitet. Dieser ausgewiesene Deutschlandkenner wurde am 1. Oktober 1946 "Chief Controller" für den Rundfunk in der britischen Besatzungszone und in der Folge einer der maßgeblichen Väter des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunkmodells.
Gegen vielerlei Widerstände
Greene wusste nur zu genau, dass nur wenige Deutsche bereit waren, seinen Vorstellungen von einer Rundfunkordnung zu folgen, in der man lediglich der "Öffentlichkeit" gegenüber verantwortlich sein solle. Er reiste in der Besatzungszone umher, um mit Vertretern der Parteien zu sprechen und Repräsentanten der Kirchen, der Gewerkschaften und von Verbänden seine Konzepte vorzustellen. Gegen vielerlei Widerstände brachte er die entscheidenden Planungen im sogenannten Rundfunkbeirat des Zonenbeirats voran.
Dabei musste er Kompromisse eingehen. Allen voran stand die Kritik der neu entstandenen, demokratisch legitimierten Parteien. Der CDU-Politiker Konrad Adenauer machte aus seiner Ablehnung der "Hinterlassenschaft der englischen Besatzung" keinen Hehl und wollte die "harte Nuss" knacken. Auch die SPD hielt mit ihrer Kritik nicht zurück und prangerte die für die neuen Gremien angestrebte Überparteilichkeit als ein Prinzip an, das in ihren Augen "ständisch" sei und einer "undurchsichtigen Interessenpolitik" Vorschub leiste.
Mit der Verordnung 118 in die Unabhängigkeit
Die Lizenzierung des NWDR als erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt im Nachkriegsdeutschland erfolgte schließlich zum 1. Januar 1948 - bemerkenswerterweise auf dem Weg einer Militärverordnung. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 118 und der Veröffentlichung des "NWDR-Statuts" wurde die große Rundfunkeinrichtung für die mehr als drei Millionen angemeldeten und zahlenden Hörerinnen und Hörer in eine weitgehende Unabhängigkeit entlassen.
Am 30. Dezember 1947 hatte man das besatzungspolitische Geschenk feierlich in die Hände der deutschen Gremien übergeben. Doch erst langsam sollte bei den Verantwortlichen in Deutschland die Idee reifen, Rundfunk als einen Dienst an der Öffentlichkeit, als einen "public service" zu begreifen. Dem NWDR standen harte Bewährungsproben bevor.
- Teil 1: Nachrichten und Übernahmen
- Teil 2: Der Chefarchitekt der NWDR: Hugh C. Greene