Hugh Carleton Greene - Ein Glücksfall für den Rundfunk
In seiner Antrittsrede in Hamburg verdeutlichte Greene sein Ziel mit den Worten: "Ich bin gekommen, um mich überflüssig zu machen." Das publizistische Instrument des Rundfunks sollte möglichst bald in deutsche Hände übergeben werden. Es sollte ein unabhängiger, von allen staatlichen und parteipolitischen Einflüssen freier Rundfunk etabliert werden, entsprechend dem Vorbild der BBC in Großbritannien. Greenes Aufgabe war, wie er den deutschen Mitarbeitern des NWDR erklärte, "die Unabhängigkeit des Rundfunks sicherzustellen. Ich meine die Unabhängigkeit gegenüber den einzelnen politischen Parteien und gegenüber etwaiger zukünftiger Regierungsstellen."
Ein Anfang mit Konflikten und Problemen
Doch in den darauffolgenden Monaten überschlugen sich die Ereignisse. Greene hatte alle Hände voll zu tun und sah sich mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Seine Absicht, eine solche unabhängige Rundfunkorganisation auf fester Grundlage aufzubauen, die allen Hörern dienen würde und die sich ihrer Verantwortung ihnen gegenüber - und nicht nur irgendeiner Gruppe - bewusst wäre: Diese Absicht war nur in vielen Konflikten und mit mancherlei Kompromissen umzusetzen. Die Injektion BBC, die Greene sich vorstellte, war alles andere als einfach zu verabreichen.
Die Presse polarisiert
Ein Musterbeispiel für einen demokratisch funktionierenden Rundfunk gab Greene im Frühsommer 1947. Es zeigt die Widerstände gegen das neue Rundfunkmodell und demonstriert, wie Greene damit umging.
Zu der Zeit waren die Angriffe der Hamburger Presse, vor allem der parteigebundenen Zeitungen, besonders stark. Personal- und Programmpolitik des Senders wurden hart kritisiert. Greene erkannte sehr genau, wo die eigentliche Angriffslinie verlief. Er lud die Vertreter der vier stärksten Parteien in der britischen Zone ein, je einen 15-minütigen Kommentar zu ihrer "Kritik am NWDR" zu sprechen. Vom 12. Mai bis 9. Juni 1946 erhielten Fritz Heine (SPD), Leo Schwering (CDU), Kurt Lichtenstein (KPD) und Hermann Schäfer (FDP) in der Hauptsendezeit von 19.15 bis 19.30 Uhr Gelegenheit, ihre Auffassungen in der Rundfunk-Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen.
Alle vier Vertreter äußerten massive Kritik an der Personalpolitik und am Programmangebot des Senders. Mehrfach wurde eine politische Kontrolle des Rundfunks eingefordert - sei es durch Volksvertreter, so die SPD; sei es durch die Einführung von politischen Überwachungsausschüssen, so die CDU; oder sogar durch die Übernahme des Rundfunks als Teil der Kulturverwaltung der Länder, so die FDP.
Der Lernprozess
Hugh Carleton Greene stellte in einem die Reihe abschließenden Kommentar süffisant fest, dass der NWDR für die einen ein Hort von Nazis und SS-Leuten und für die anderen marxistisch unterwandert sei: "Sie sehen also, für die SPD und KPD ist der NWDR antimarxistisch und für die CDU ist er marxistisch. Es scheint mir, dass dem NWDR in aller Bescheidenheit erlaubt werden könnte, zu dem Schluss zu kommen, dass er in seinen Bemühungen, unparteiisch und überparteilich zu sein, nicht nur Misserfolge aufzuweisen hat." Den Forderungen nach Kontrollinstanzen erteilte er eine strenge Abfuhr und verwies auf seine Absicht, eine "unabhängige Rundfunkorganisation" aufzubauen, die - nach dem Vorbild der BBC - "allen Hörern dienen wird."
- Teil 1: Eine historische Aufgabe
- Teil 2: "Ich bin gekommen, um mich überflüssig zu machen"
- Teil 3: Der Erfolg