Adolf Grimme - Kulturpolitiker und Generaldirektor des NWDR
Sofort startete Grimme seine zweite politische Karriere. Von Dezember 1945 an leitete er die Kultus-Abteilung im Oberpräsidium Hannover und ab November 1946 widmete er als niedersächsischer Minister seine ganze Kraft dem Wiederaufbau des Schulwesens, der Neuorganisation von Wissenschaft und Kultur sowie dem Bereich des Volksbildungswesens. Als niedersächsischer Minister für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft wurde er 1948 in den siebenköpfigen Verwaltungsrat des NWDR berufen, der zusammen mit dem Hauptausschuss die erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt leiten sollte. Dem NWDR standen große Bewährungsproben bevor.
Neben dem Hauptausschuss und dem Verwaltungsrat gab es beim NWDR das Amt des Generaldirektors, das weitgehend dem eines heutigen Intendanten entsprach. Der Begriff "Generaldirektor" wurde vom BBC-Vorbild entlehnt, wo ein "Director General" Geschäftsführer der öffentlich-rechtlichen Anstalt war. Hugh Carleton Greene, der Brite, der 15 Monate lang als Chief Controller die Geschicke der Rundfunkentwicklung im Norden entscheidend geprägt hatte, war seit Januar 1948 erster Generaldirektor des NWDR. Er legte dieses Amt jedoch schon im November 1948 nieder. Sein Nachfolger wurde Adolf Grimme.
Das Ethos des Rundfunks
Der Rundfunk als "Kompass" auf "dieser unserer geistigen Irrfahrt", das Radio als "Helfer, sich auf den Sinn des Lebens wieder zu besinnen" und als "Wegbereiter einer neuen Schau des Menschen und seiner Sendung in der Welt": Mit diesen programmatischen Worten trat Adolf Grimme sein neues Amt in Hamburg an. Seine Rede erschien damals unter dem Titel "Das Ethos des Rundfunks" (Download) und wurde vielfach zitiert.
Was heute sehr idealistisch klingt, spiegelte in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reiches" jedoch eine weit verbreitete Überzeugung wider. Der Rundfunk - zunächst das Radio, seit den frühen 1950er-Jahren dann auch das Fernsehen - sollte Orientierung vermitteln, die Programme sollten den Hörerinnen und Hörern bei der Bewältigung des Alltags helfen. Grimme beschwor das Bild vom familiären Rundfunkempfang: "Was früher der Kamin war, wie einst die Petroleumlampe den Familienkreis vereint, das muss im deutschen Haus der Rundfunk werden: der Mittelpunkt der inneren Sammlung."
Verteidiger der neuen Rundfunkfreiheit
Mit dieser ehrenwerten Auffassung vom Rundfunk versuchte Grimme den großen NWDR zu leiten, dessen Sendegebiet die gesamte ehemalige britische Besatzungszone umfasste. Es reichte von Aachen bis Braunschweig und von Göttingen bis Flensburg und versorgte die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie die Freie und Hansestadt Hamburg mit Programmen.
Doch diese Rundfunkeinrichtung hatte zahlreiche Konflikte zu bestehen. Der politische Druck von außen auf den NWDR war enorm. Zwischen dem mächtigen Vorsitzenden des NWDR-Verwaltungsrats, dem CDU-Mitglied und Publizistik-Professor Emil Dovifat, und Adolf Grimme entwickelte sich ein hartes Kräftespiel. Grimme pochte auf die erzieherischen und bildenden Aufgaben des Mediums und wurde dabei zu einem vehementen Verteidiger der neuen Rundfunkfreiheit. Hier erwarb sich der Generaldirektor besondere Verdienste, indem er immer wieder rundfunkpolitische Pläne der Bundesregierung abwehrte und die journalistische Freiheit der Mitarbeiter verteidigte. Erklärtes Ziel von Bundeskanzler Konrad Adenauer und seinen Ministern war es nämlich, direkt auf den Rundfunk zugreifen zu können.
- Teil 1: Herkunft aus kleinen Verhältnissen
- Teil 2: Der politische Neustart
- Teil 3: Der Rückhalt bröckelt