Zurück in Hamburg: Wolfgang Borcherts Milchzahn und ein Wunschzettel
Auf verwunschenen Wegen sind Gegenstände aus Borcherts Kindheit nach Frankreich gekommen - zu einer Deutschlehrerin, die den Hamburger Autor verehrte. Nun hat einer ihrer Schüler sie zurück nach Hamburg gebracht.
Ein besonderer Moment: Patrick Naudin packt das kleine Kästchen aus. Er und seine Frau sind extra aus der Nähe von Paris nach Hamburg gekommen, um es an die Stabi, die Staats- und Universitätsbibliothek, zu übergeben. "Ja, das ist das kostbare Kästchen, sehr kostbar", sagt der Franzose.
Eine kleine Schatulle voller persönlicher Dinge
Dann öffnet er die rund fünf mal fünf Zentimeter große Schatulle: darin ein Tuch, ein Milchzahn, ein Kreuz, zwei Haarlocken und der Brief an den Weihnachtsmann in krakeliger Schrift. Wolfgang Borchert hat ihn als Kind geschrieben.
"Wolfgang Borchert hat im Leben der Staats- und Universitätsbibliothek einen besonderen Platz, weil sein Nachlass hier einen großen Bezug zu Hamburg hat und wir ihn mit der 'Borchert-Box' dauerhaft präsentieren", erklärt Stabi-Direktor Robert Zepf. Die Objekte, die heute von Frankreich nach Hamburg gekommen seien, von einer Person, die mit Borcherts Werk eng verbunden war, sei wirklich ein großer Glücksfall. "Mich berührt kurz vor Weihnachten der Brief des jungen Wolfgang Borchert an den Weihnachtsmann", sagt Robert Zepf weiter.
Naudins Deutschlehrerin hatte Borchert in Frankreich bekannt gemacht
Darin wünscht er sich für seine Mutter ein Likörglas, für seinen Vater eine Zigarre und für sich selbst eine Kasperbude. "Wahrscheinlich die erste Schrift, die wir von Borchert haben, er war gerade sieben Jahre alt", ergänzt Patrick Naudin.
Der Franzose hat mit der Übergabe den letzten Willen von Nanette Courtade erfüllt. Sie war Patricks Deutschlehrerin, hatte schon in den 50er-Jahren über Borchert geforscht und den Autor in Frankreich bekannt gemacht. Im September ist sie gestorben. Handschriftlich hielt sie fest: Die Dinge sollen in Wolfgang Borcherts Heimatstadt Hamburg zurück. "Denn Borchert war ihre posthume Liebe", sagt Patrick Naudin.
Schon bald in der "Borchert-Box" in der Stabi zu sehen
Wolfgangs Mutter Hertha Borchert hat ihr 1980 das Kästchen und zwei Bilder von Borchert vermacht, ein Fahrschein im Kästchen beweist es. Offenbar waren ihr dieses Dinge besonders wichtig. Ein Teil des Schriftstellers kehrt damit nach Hamburg zurück: Patrick Naudin, der Bote aus Paris, nennt es eine "Kette": "... eine Kette von Wolfgang zu Hertha, von Hertha zu Nanette Courtade, von Nannette Courtade zu mir und von mir zu Euch allen."
Nun werden Milchzahn, Weihnachtswunschzettel und all die anderen kleinen Gegenstände für die öffentliche "Borchert-Box" in der Stabi vorbereitet und sind dort dann schon bald anzuschauen.