Nach Schiffskollision in der Nordsee: Kapitän festgenommen

Stand: 12.03.2025 17:18 Uhr

Nach der Schiffskollision in der Nordsee hat die britische Polizei den Kapitän des Frachters "Solong" festgenommen. Der Vorwurf: Verdacht auf fahrlässige Tötung. Das Schiff gehört der Hamburger Reederei Ernst Russ und hatte am Montag vor der Küste von Hull einen Tanker mit Flugzeugtreibstoff gerammt.

Die britischen Behörden teilten am Dienstag mit, dass die Polizei Ermittlungen eingeleitet und einen Mann festgenommen habe. Bei dem 59-Jährigen handelt es sich um den Kapitän des Frachters aus Hamburg, wie die Reederei bestätigte. Gegen den Mann mit russischer Staatsbürgerschaft wird wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung im Zusammenhang mit der Kollision ermittelt. Er sei weiterhin in Gewahrsam, teilte die britische Polizei heute mit.

"Solong" und "Stena Immaculate" brennen über Stunden

Der nach einer Kollision und einem Brand schwer beschädigte Frachter "Solong" treibt brennend auf der Nordsee vor Großbritannien. © AP/EBU
Auf der "Solong" sind weiterhin Flammen zu sehen.

Der Tanker "Stena Immaculate" hatte am Montagmorgen nahe der Hafenstadt Hull vor Anker gelegen, als er von der unter portugiesischer Flagge fahrenden "Solong" aus bislang ungeklärter Ursache gerammt wurde. Auf beiden Schiffen brachen Brände aus, es gab große Explosionen.

Auf der "Stena Immaculate" sind sie der britischen Küstenwache zufolge inzwischen eingedämmt. Es gebe "keine sichtbaren Flammen" mehr an Bord. Eventuell könne noch heute eine Untersuchung auf dem Schiff erfolgen. An Bord der "Solong" seien die Brände in ihrem Ausmaß und ihrer Intensität erheblich zurückgegangen, so die Küstenwache.

Die "Solong" war aus eigener Kraft freigekommen und konnte laut britischem Verkehrsministerium heute vertäut werden. Mittlerweile werde sie von einem Schlepper an einer sicheren Position vor der Küste gehalten, teilte die Küstenwache mit. Die "Stena Immaculate" liege dagegen weiterhin vor Anker.

Britische Regierung: Vermisster Seemann wohl tot

36 Besatzungsmitglieder beider Schiffe waren nach der Kollision sicher an Land gebracht worden, ein Mensch wurde medizinisch behandelt. Die Suche nach einem vermissten Crewmitglied der "Solong" wurde bereits in der Nacht zu Dienstag eingestellt. Die britische Regierung geht vom Tod des Vermissten aus. Die Angehörigen des Mannes seien informiert worden. Auf der "Solong" arbeiteten laut Reederei Russen und Philippiner.

Britischen Medienberichten zufolge gab es zuletzt Beanstandungen an dem verunglückten Frachter. Demnach stellten Behörden bei einer Inspektion im vergangenen Sommer Mängel fest, die das Schiff allerdings nicht an der Weiterfahrt hinderten. Die Reederei Ernst Russ erklärte, die Mängel seien umgehend behoben worden.

Unterstützung aus Niedersachsen

Das Mehrzweckschiff "Mellum" der Küstenwache © Ingo Wagner/dpa Foto: Ingo Wagner
Die "Mellum" ist so ausgestattet, dass sie Brände bekämpfen und Öl aufnehmen kann.

Am Dienstag war das deutsche Mehrzweckschiff "Mellum" an der Unfallstelle eingetroffen. Es sei unter anderem mit Technik zur Brandbekämpfung sowie zur Aufnahme von Öl ausgerüstet. Rund 20 Menschen seien an Bord, hieß es vom Havariekommando in Cuxhaven, darunter auch ein Fachberater der Feuerwehr Bremerhaven.

Zudem wurde ein Flugzeug vom Typ DO 228 entsandt, das in Nordholz stationiert ist. Die Bundeswehr bezeichnet es als "Öljäger", weil es mit leistungsstarken Kameras und Sensoren dabei helfen könne, Schadstoffe im Wasser zu finden.

Kerosin an Bord

Nach Angaben des US-Schifffahrtsunternehmens Crowley waren 220.000 Barrel (knapp 35 Millionen Liter) Kerosin an Bord der "Stena Immaculate", die vom US-Militär gechartert worden war. Der Treibstoff war demnach auf 16 Tanks verteilt, von denen mindestens einer bei dem Zusammenstoß beschädigt wurde.

Noch ist unklar, wie viel Treibstoff ins Meer gelangt sein könnte. Crowley teilte mit, eine erste Überprüfung habe ergeben, dass das Kerosin wegen der Brände verdampft sei. Ein Sprecher der Küstenwache sagte, die Bedrohung durch die gefährliche Ladung sei inzwischen erheblich verringert. Es würden aber weiterhin Vorbereitungen für eine mögliche Verschmutzung getroffen.

Sorge vor Umweltkatastophe geringer

Befürchtet worden war, dass Schiffsdiesel austreten könnte, sollte das Schiff sinken oder auf Grund laufen. Dieses Risiko sei nun reduziert worden, hieß es in der Mitteilung des Verkehrsministeriums. Zuvor war berichtet worden, dass die "Solong" Container mit giftigem Natriumcyanid geladen haben soll. Die Hamburger Reederei stellte in einer Mitteilung klar, dass dies nicht stimme. In vier aktuell leeren Containern sei zuvor Natriumcyanid transportiert worden.

Auch wenn bislang noch vieles unklar ist, fallen die Sorgen vor einer Umweltkatastrophe derzeit nicht mehr so groß aus wie noch am Montag und Dienstag. Es gebe "keine weiteren Berichte über Verschmutzungen des Meeres", hieß es von der britischen Küstenschutzbehörde. Und Greenpeace erklärte, eine Umweltkatastrophe sei "möglicherweise knapp vermieden worden".

VIDEO: MarineTraffic.com: Tankerkollision in der Nordsee vor Hull (1 Min)

Experte: Derartige Kollision "sehr selten"

Wie es zur Kollision zwischen dem Frachter "Solong" und dem Tanker "Stena Immaculate" kam, ist weiter offen. Nach Einschätzung des Schifffahrtsexperten Abdul Khalique von der Liverpooler John Moores University sei eine derartige Kollision zwischen einem ankernden und einem fahrenden Schiff "sehr selten". Es sei vollkommen unklar, warum die Besatzung der "Solong" nicht in der Lage gewesen sei, die Kollision zu vermeiden, so Khalique. Durch die Wucht der Kollision war der Tanker laut der Website Vesselfinder um mehr als 400 Meter verschoben worden.

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NDR Info | Aktuell | 12.03.2025 | 14:00 Uhr