Podcast "Feel Hamburg" mit dem Polizisten Jens Mollenhauer
40 Jahre lang war Jens Mollenhauer Polizist und hat die deutschlandweit einzigartige Jugendschutzeinheit der Hamburger Polizei geleitet. Er kümmert sich um Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten sind und zeigt in seinem Buch "Herzgewalt" Auswege aus vermeintlich hoffnungslosen Situationen auf.
"Wir machen so etwas wie nachhaltige, soziale Polizeiarbeit", fasst der langjährige Leiter der Jugendschutzpolizei die Aufgaben seiner Abteilung in einem Satz zusammen. Die Polizisten sprechen mit den Eltern, deren Kinder gewalttätig geworden sind, zeigen Lösungsansätze auf und machen sogenannte Gefährderansprachen. "Wenn etwas gestern in einer Schule passiert ist und man gemerkt hat, dass es da noch Gefahren gibt, ist es wichtig, dass man dann gleich losgeht, mit dem Täter spricht und eine andere Sprache auspackt", erklärt Mollenhauer. Die jungen Täter und gelegentlich auch Täterinnen müssten frühzeitig und deutlich Grenzen aufgezeigt bekommen. "Es braucht Menschen, die die Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen suchen. Und es braucht schnelle Folgen. Wenn ein Jugendlicher nach einem halben Jahr erfährt, was er vor einem halben Jahr falsch gemacht hat, dann kann man es in die Tonne hauen, weil der weiß ja gar nicht, was er da alles so falsch gemacht hat." Der erfahrene Polizist weiß, wovon er redet. Im Gespräch mit Britta Kehrhahn erzählt er, dass er in Hamburg Kinder und Jugendliche kenne, bei denen schon mehr als 50 Straftaten erfasst worden seien. "Und viel passiert ist immer noch nicht" analysiert er die Situation.
Von der schiefen Bahn zur Polizei
Warum junge Menschen kriminell werden, warum sie so ein "Feuer im Bauch", so eine Wut in sich tragen, kann Jens Mollenhauer gut nachvollziehen. Er selbst hat erst als Teenager erfahren, dass sein vermeintlicher, inzwischen verstorbener Vater gar nicht sein leiblicher Vater war und seine Mutter hatte keine Antworten auf seine Fragen. Das habe ihn so frustriert, so wütend und hilflos gemacht, dass er "völlig aus der Spur kam", die Schule abbrach und einige kleinere Delikte beging. Irgendwann sei ihm aber klar geworden, dass er dabei war, sein Leben wegzuwerfen und zog die Notbremse. Er bewarb sich bei der Polizei, wurde dort angenommen und fand dort eine Art Ersatzfamilie. "Das ist da schon wie eine kleine Familie. Man muss zusammenwachsen, man muss aufeinander aufpassen. Man überlebt gefährliche Situationen und man ist für einander da", beschreibt Molenhauer den Zusammenhalt bei der Polizei.
"Es fehlt an Zuwendung, Zeit und Zärtlichkeit"
Dass so viele Kinder und Jugendliche auffällig werden, führt Jens Mollenhauer auf mangelnde Fürsorge durch die Eltern zurück. Gerade Alleinerziehende seien häufig überfordert und können sich nicht ausreichend kümmern. So lassen sie ihre Kinder aus Ahnungslosigkeit oder Bequemlichkeit mit ihren Handys alleine und wissen nicht, mit welchen pornografischen und gewaltverherrlichenden Inhalten diese jungen Menschen in Kontakt kommen und welche Auswirkungen das auf die Psyche hat. Väter seien meistens abwesend und zeigen kein Interesse an ihrem Nachwuchs, so dass positive Rollenbilder und Identifikationsfiguren fehlen. Gerade hier leiste die Jugendschutzeinheit der Polizei gute Arbeit, ist Mollenhauer überzeugt.
Prävention verhindert Opfer
In seinem Berufsleben hat Jens Mollenhauer viele problematische und kriminelle Kinder und Jugendliche betreut und immer wieder ist es ihm und seinem Team gelungen, junge Menschen zurück in die Spur zu bringen. Bei "Feel Hamburg" erinnert sich der Polizist an einen jungen Mann, der eines Tages plötzlich neben ihm stand und ihn ansprach: "Herr Mollenhauer, diese tausend Gespräche, die wir geführt haben, für die möchte ich mich jetzt bedanken. Ich habe hier eine Freundin. Und mir geht es gut." Er habe ihn erst gar nicht erkannt, denn der junge Mann habe sich so sehr zu seinem Vorteil verändert. Solche Erlebnisse geben ihm die Kraft und den Ansporn, sich auch nach seiner Pensionierung weiterhin für benachteiligte Jugendliche einzusetzen. Denn er ist sich sicher: "Wenn ich zwei von sechs retten kann, dann ist das für mich ein Riesenziel. Und wenn dann dadurch tatsächlich 100 Opfer oder so verhindert werden, was alles nicht messbar ist, dann ist das eine Riesenleistung durch präventive Arbeit.
Bei "Feel Hamburg" sprechen Britta Kehrhahn und Jens Mollenhauer auch über sein Leben als Familienvater von acht Kindern, seine weitergehenden Vorschläge zur Prävention von Jugendgewalt und seine Liebe zum Sport.
Den kostenfreien Podcast "Feel Hamburg" finden Sie hier, in der NDR Hamburg App, in der ARD Audiothek und bei anderen Podcast-Anbietern.