WDDNDR: Von Steckenpferden und Rhythmus auf Gymnastikbällen
Rund 2.500 Sportvereine gibt es in Schleswig-Holstein. Die Mitgliederzahlen wachsen. Wünsch Dir Deinen NDR besucht einen Verein, der es geschafft hat, das Ehrenamt attraktiv zu halten - und fragt nach, wie das funktioniert.
In vollem Galopp fegen rund zehn Mädchen im Alter von 6 bis 13 Jahren durch die Turnhalle des TSV Breiholz (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Jedes hat ein Steckenpferd zwischen seine Beine geklemmt und springt über Hindernisse von bis zu einem Meter Höhe. Die Gesichter sind konzentriert, ab und zu fällt die oberste Stange eines Hindernisses laut klappernd zu Boden. Hobby-Horsing nennt sich die Sportart, die hier angeboten wird. "Ein Vorstandsmitglied hat vorgeschagen, doch mal Hobby-Horsing zu machen. Wir dachten erst: 'Nee, was ist das denn?'", erinnert sich Astrid Marxen, erste Vorstandsvorsizende des Vereins. Doch sie haben es probiert und der Anklang war gleich groß.
Einfach mal machen
So machen sie das hier in Breiholz. Nachfragen, Neues ausprobieren, einfach machen. Und diese Herangehensweise zahlt sich aus. Rund 1.500 Einwohner hat die kleine Gemeinde. Fast 600 von ihnen sind Mitglied im örtlichen Sportverein. Und während es anderen Vereinen seit Corona vor allem an Ehrenamtlern mangelt, die die ganzen Ideen und Wünsche von innerhalb und außerhalb des Vereins umsetzen, gibt es in Breiholz rund 50 freiwillige Mitarbeiter. Bei besonderen Aktionen kommen sogar noch mehr dazu. "Ich hab ganz, ganz tolle aktive Übungsleiter, da beneiden uns viele Vereine drum," freut sich Marxen. Allein hinter dem Hobby-Horsing stehen fünf Breiholzer, die den Kurs abwechselnd geben.
Sportvereinen in SH mangelt es an Ehrenamtlern
Rund 800.000 Menschen in Schleswig-Holstein sind Mitglied in einem Sportverein. Das sind 3,4 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr und damit zum ersten Mal sogar mehr als noch vor der Corona-Pandemie. "Die Menschen sind nach der Corona-Zeit wieder zurückgekehrt, aber das Ehrenamt ist nicht in dem Maße zurückgekehrt wie die Mitglieder", beschreibt Thomas Niggemann, Geschäftsführer Vereinssport des Landessportverbandes (LSV), die aktuell größte Herausforderung der rund 2.500 Vereine im Land. Das betreffe alle Ehrenamtler, von Trainern über Übungsleiter bis hin zu Gremien- und Vorstandsmitgliedern, sagt Niggemann. Viele hätten während der Pandemie gemerkt, dass es auch ohne ginge. Außerdem habe zwei Jahre lang die Möglichkeit gefehlt, mögliche Ehrenamtler anzusprechen und anzuwerben.
Das Geheimnis liegt an vielen kleinen Stellschrauben
Woran das genau liegt, dass sich im TSV Breiholz so viele Menschen engagieren, kann Marxen gar nicht so genau sagen. Es sind vermutlich viele kleine Stellschrauben, die richtig eingestellt sind. Der Sportverein hat seine Räume direkt neben einem Kindergarten - da ist der Nachwuchs fast garantiert. Aber auch das Wochenprogramm ist gut gefüllt und deckt viele verschiedene Aktivitäten ab. Dazu gibt es viele Veranstaltungen, die über den Sport hinausgehen und die Gemeinschaft stärken: Sportwoche, Ninja-Parcours, Ostereiersuche, Flohmärkte, Nikolausbesuche mit Schlittenzug, Müll sammeln in der Gemeinde und anderes.
Alles dreht sich um die Sportwoche
"Die Basis ist die Sportwoche", erklärt Marxen nach wiederholten Nachfragen, was sie hier denn richtig machen. Jedes Jahr findet sie in der ersten Sommerferienwoche statt. In der Sportwoche treffen sich alle: Vereine, Alteingesessene und Zugezogene. Dort entstehen neue Ideen, werden neue Fähigkeiten und Talente entdeckt. "Keiner kann ohne den anderen. Unser Netzwerk ist so gut", versichert Marxen.
Außerdem haben sie in Breiholz einen Jugendvorstand, in dem sich junge Leute gerne einbringen, die dann auch dabei bleiben.
Junge Menschen sind die Zukunft
"Vereine, denen es gelingt auch jüngere Leute anzusprechen, haben es leichter als solche mit einem älteren Vorstand", sagt auch Niggemann. Und solche, die ein "Ohr am Zahn der Zeit" hätten. Als Beispiel nennt er Kurse wie Hobby-Horsing, die zwar ungewöhnlich seien, aber Menschen in die Vereine lockten. Er erinnert sich an einen Verein, der tatsächlich von Tür zu Tür gezogen sei, um nachzufragen, welches Sportangebot die Anwohner sich wünschen würden. Das Ergebnis: Die Menschen wollten Boule spielen. Diese Sparte wurde dann ins Leben gerufen - und die Menschen kamen, um Boule zu spielen.
Neue Ideen werden gerne umgesetzt
Auch beim TSV Breiholz hängt ein Briefkasten, in dem immer wieder Anfragen für neue Angebote landen. Erst am vergangenen Sonnabend haben sie zum Beispiel zum ersten Mal auf dem Platz hinter der Halle Bolzen angeboten - auf Wunsch einer handvoll Jungs. Hobby Horsing ist für heute beendet. Als nächstes steht die Halle für Badmintonspieler offen. Am Abend dann wird es noch einmal richtig laut: Bei Drums Alive wird auf Sportgeräten zum Rhythmus von Musik getrommelt. Der älteste Teilnehmer ist über 80 Jahre alt. Die jüngste ist unter zwanzig.
Man lässt sich etwas einfallen hier beim TSV Breiholz. Denn es soll Spaß machen. Und dass sie Spaß haben, das sieht man hier allen Beteiligten an. Sie sind Teil von etwas - und das hält sie zusammen.