Towers-Coach Barloschky: Vertrauen als Super-Power
Benka Barloschky ist seit zwei Jahren Headcoach der Towers-Basketballer aus Hamburg. Mit einer Siegesserie und guter Laune peilt er die Play-offs an. Warum er eigentlich zur Tagesschau wollte und Vertrauen für ihn eine Super-Power ist, erzählt er im NDR Sportclub.
Es lief ganz gut und sollte noch besser kommen. "Wir haben uns locker gemacht, geschüttelt und auch ein bisschen gelacht", erzählt Headcoach Benka Barloschky von einer erstaunlich entspannten Atmosphäre im "Osterkracher" der Towers Hamburg gegen Meister Bayern München. Nur zwei Punkte mehr auf dem Konto hatte der Spitzenreiter der Basketball Bundesliga (BBL) zur Halbzeit und in der Kabine des Underdogs schwand die Nervosität zusehends. Optimismus machte sich breit und der jüngste Cheftrainer der Liga wusste: "Jetzt legen wir los, mit neuer Energie, mit neuem Fokus."
Die Zuversicht steigerte sich im Trubel der 12.015 Zuschauer in der Arena im Hamburger Volkspark, die den 74:70-Sieg der Towers zu einem Rekordspiel machten. Noch nie waren so viele Zuschauer bei einem Basketballspiel in der Hansestadt gewesen. "Es wurde unheimlich laut und es kam ganz viel Energie von den Rängen", so Barloschky. "Das hat uns bis zum Schluss getragen."
Geschäftsführer Willoughby: "Er ist die Spitze unserer Idee"
Ein heißer Kampf blieb es dennoch, aber davon war Stunden später im NDR-Studio in Lokstedt wenig zu spüren. Von Stress und Anspannung keine Spur, jeglicher Druck schien längst von Barloschky, der erst vor zwei Jahren zum Cheftrainer der Towers aufgestiegen ist, abgefallen zu sein. "Er ist die Spitze unserer Idee, er geht voran und wir folgen ihm", so Geschäftsführer Marvin Willoughby, der den Vertrag mit dem gebürtigen Bremer vorzeitig bis 2027 verlängert hat: "Wir sind sehr froh, den gemeinsamen Weg fortzusetzen."
"Ich würde mir wünschen, dass wir in der Gesellschaft mehr die Andersartigkeit auch spannend finden, neugierig und weniger wertend werden." Benka Barloschky
Wie hoch die Wertschätzung des einstigen Nationalspielers für den 37-Jährigen ist, mag ein Zusatz Willoughbys verdeutlichen: "Ich weiß, dass irgendwann der Tag kommen wird, dass er an die Tür klopft und weiterziehen wird." Noch aber ist es nicht so weit. "Er ist da, wo er hingehört", so der Towers-Macher, der den charismatischen Barloschky auf dem sicheren Weg sieht, ein außerordentlicher Trainer mit reichlich Potenzial zu werden. In Hamburg darf er "Erfahrungen sammeln und auch Fehler machen".
Towers wollen regelmäßig in die Play-offs
Aktuell sind die Towers als Neunter mit 15 Siegen gleichauf mit Rang sechs, der den direkten Einzug in die Play-offs bedeuten würde. "Wir sind ehrgeizig, wollen sportlich auch weiterkommen. Es ist schon unser Ziel, uns als regelmäßiger Play-off-Teilnehmer in der Bundesliga zu etablieren", so Barloschky. "Ich bin sehr glücklich, so wie es momentan läuft. Ich fühle mich sportlich und kulturell sehr wohl bei den Towers. Und konzentriere mich auf das Hier und Jetzt. Zu lange Blicke nach hinten, zu lange Blicke nach vorne - das lenkt ab."
Fast genau zehn Jahre ist es her, dass Barloschky als Co-Trainer zu dem damals in der 2. Bundesliga ProA spielenden Verein aus dem Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg kam. Erste Erfahrung als Trainer hatte er beim VfL Stade gesammelt, nachdem er dort mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga ProB seine Laufbahn als Spieler aus gesundheitlichen Gründen (Beckenschiefstand) hatte beenden müssen.
Basketball als Vorbild für gesellschaftlichen Zusammenhalt
Ungebrochen ist seine Begeisterung für die bei den Towers gelebte Kombination aus Sozialarbeit und Leistungssport. "Das steckt noch immer im Kern - jungen Menschen über Sport die Möglichkeit geben zu lernen, wie man sich in einer heterogenen Gruppe sozial verhält." Das mache die Towers so besonders.
Überhaupt könne Basketball ein Vorbild sein für gesellschaftlichen Zusammenhalt, meint Barloschky. "Im Sport schaffen wir es, trotz aller Unterschiede gemeinsam an einem großen Ziel zu arbeiten. Herkunft, Alter, sexuelle Orientierung oder Religion sind egal. Ich würde mir wünschen, dass wir in der Gesellschaft mehr die Andersartigkeit auch spannend finden, neugierig und weniger wertend werden."
Barloschky: Basketball statt Tagesschau
Ursprünglich wollte der am 1. Januar 1988 geborene Barloschky Nachrichtensprecher bei der Tagesschau werden. Dafür hatte er sich durch ein Jura-Studium gequält. Doch die Lust auf Basketball war stärker und seinem Talent wohl auch näher. Die große Herausforderung und der ersehnte Karrieresprung als Trainer kamen schließlich, als die Towers zu Jahresbeginn 2023 kriselten, der Abstieg drohte und der erkrankte Raoul Korner abgelöst wurde. Assistenztrainer Barloschky übernahm, stieg zum Headcoach auf - und schaffte den Klassenverbleib.
Impulsiver Head Coach - mitunter bis zum Anschlag
"In seiner Funktion als Headcoach hat er dem Team eine Identität verpasst, auch in herausfordernden Momenten stets einen kühlen Kopf bewahrt und eine Kultur etabliert, auf die wir in Zukunft weiter aufbauen wollen", schwärmt Willoughby, der auch die Zeit davor nicht unerwähnt lassen will. "Er hat unsere Entwicklung als Club entscheidend mitgeprägt." Keine Frage - nur das mit dem kühlen Kopf ist vielleicht nicht immer und in jeder Nuance ganz wörtlich zu nehmen.
Bisweilen kann Barloschky nämlich ziemlich emotional und impulsiv reagieren. "Manchmal ist es vielleicht übers Ziel hinaus", gibt er augenzwinkernd zu. In solchen Situationen denke er ("zu meinem Nachteil") nicht über die Konsequenzen nach. Was ihm die ein oder andere (Geld-)Strafe eingebracht hat: "Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich die Kontrolle verliere."
Delegieren und Verantwortung teilen
Die Spieler mögen den empathischen Auftritt ihres Trainers, der ihnen auf dem Weg des Erfolgs allerhand Eigenverantwortung zugesteht. "Im Endeffekt wollen wir alle erfolgreich sein. Wenn die Spieler spüren, dass sie mitgestalten können, fühlen sie sich auch für das Produkt mitverantwortlich." Ein guter Plan. Alles von oben herab vorgeben, ist es aus seiner Überzeugung nicht. Aus gutem Grund, wie er auf dem Sportclub-Sofa schmunzelnd erläutert: "Wenn die Niederlagenserie kommt, kann sich der Spieler hinstellen und sagen: 'Da haste ja einen prima Plan gehabt, aber funktioniert hat er nicht.'"
Barloschky: "Wir haben hohe Ziele"
"Spaß ist die Antriebsfeder Nummer eins", heißt sein Credo. "Wer möchte nicht lieber mit einem Lächeln zur Arbeit kommen. Das bedeutet aber auch, dass wir ein Umfeld kreieren müssen, wo wir Spaß haben, wo wir lächeln, wo wir auch mal einen Witz machen", sagt er. "Nur das darf der Leistung und dem Einsatz nicht im Weg stehen. Das ist ein schmaler Grat, den wir versuchen zu meistern." Dass die Spieler die Regeln beispielsweise fürs Zusammensein selbst bestimmt haben, sei ein Mosaiksteinchen.
Auf die Tabelle schauen will der Headcoach nicht. Noch nicht - auch wenn das Ziel natürlich die Play-offs sind. "Klar, wir haben hohe Ziele", sagt Barloschky, dem in der Branche nachgesagt wird, nicht nur für die Taktik, sondern speziell für eine gute Arbeitsatmosphäre eine große Expertise zu haben.
"Können uns aufeinander verlassen"
Fünf Siege nacheinander sprechen für sich. Entwicklung sei in diesem Zusammenhang wohl das richtige Wort, was sich auch international im EuroCup gezeigt habe. "Wir haben eine Kultur zusammen erarbeitet, weil einfach ganz viel Vertrauen da ist. Vertrauen ineinander, Vertrauen ins System, wir können durch schwierige Situationen in Spielen oder zwischen Spielen gehen, können uns aufeinander verlassen", so Barloschky. Diese Tugend "hat uns in den engen Spielen geholfen, ist so eine Super-Power für uns geworden". So wie beim frenetisch gefeierten Sieg gegen die Bayern.
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