Olympia-Strategie des DOSB: Harte Kritik, aber auch Zuversicht
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) möchte Olympische Spiele nach Deutschland holen und wähnt sich auf einem guten Weg. Doch es gibt auch deutliche Kritik am laufenden Strategieprozess zu einer möglichen Bewerbung.
Die Resonanz auf die im Juli gestartete Initiative "Deine Ideen. Deine Spiele", mit der die Bevölkerung für die Ausrichtung von Olympischen Spielen in Deutschland gewonnen werden soll, ist bislang mager. Auch in Hamburg hatten am vergangenen Wochenende wie schon zuvor in Leipzig nur wenige Interessierte den Weg zum Dialogforum in der Handelskammer gefunden.
Sylvia Schenk: "Kaum Perspektiven von außen"
Ex-Spitzenfunktionärin Sylvia Schenk fürchtet, dass der DOSB das Olympia-Projekt gegen die Wand lenkt, und sparte nicht mit Kritik. "Die Bewerbung ist inhaltlich blutleer und es werden grobe Fehler gemacht", monierte die 71 Jahre alte frühere Radsport-Präsidentin. "Es ist schlimmer, als ich es vorher befürchtet habe. Man macht Talks, bei denen keiner einschaltet und die Sportvertreter meist im eigenen Saft schmoren. Es gab kaum Perspektiven von außen, keine zündende Vision für die Zukunft."
Stephan Brause: Aha-Momente und wichtige Impulse
Stephan Brause, Leiter der Stabsstelle Olympia-Bewerbung beim DOSB, sieht das anders. "Es hat Aha-Momente und wichtige Impulse in den Fachtalks gegeben, andererseits sind wir einige Male auch in unseren Gedanken bestärkt worden", sagte er.
Dass in Hamburg nur 50 Besucher gekommen waren, sei bezogen auf die "reine Quantität" aber enttäuschend gewesen. Auch bei den Talks hätte man sich live mehr Zuschauer gewünscht. Eine "Klick-Rakete" mit tausenden Live-Zuschauern habe man von vornherein nicht erwartet. Dafür hätten aber rund 30.000 Menschen die Videos auf Abruf angeschaut, so Brause.
Wenige Follower, aber Reichweite
Ein Schwerpunkt der Kommunikationsstrategie, mit der diesmal die Menschen von vornherein mitgenommen und in den Bewerbungsprozess einbezogen werden sollen, liegt auf dem digitalen Dialog. Die Follower-Zahlen der Dialoginitiative bei Facebook, X (früher Twitter), TikTok oder Instagram liegen aber lediglich zwischen 100 und 1.000. Die sind für Brause indes "nicht der richtige Maßstab". Follower könne man "recht einfach bestellen", was man nicht wolle.
"Wir wollen einen authentischen und ehrlichen Dialog und keinen, der allein von Follower-Zahlen getrieben ist", betonte der Ex-Kommunikationsdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Wichtiger sei die Reichweite: Über den digitalen Dialog seien bislang rund 4,5 Millionen Menschen erreicht worden.
Athleten Deutschland "grundsätzlich optimistisch"
Die Vereinigung Athleten Deutschland stimmen die bisherigen Bemühungen des DOSB "grundsätzlich optimistisch". Der Erfolg dieser Aufgabe lasse sich "nicht in qualifizierbaren Reichweiten- und Teilnehmerkennzahlen" messen. Wichtiger sei es, Argumente und Perspektiven sowie Sorgen und Hoffnungen von Experten und vor allem von den Bürgern "ergebnisoffen" zu erfassen. Es gehe darum, "ein grundsätzliches Gespür für das Stimmungsbild in der Gesellschaft" zu bekommen.
Auch München hat Sommerspiele im Blick
Seit München 1972 hat sich Deutschland mit Berchtesgaden, zweimal München, Berlin, Leipzig und Hamburg sowie zuletzt der Initiative Rhein-Ruhr insgesamt siebenmal um Olympische Spiele beworben oder es vorgehabt. In München und Hamburg war das Vorhaben an Bürgerentscheiden gescheitert. Nun soll in den kommenden zwölf Monaten eine Bewerbung für die Sommerspiele 2036 oder 2040 oder für die Winterspiele 2038 oder 2042 auf den Weg gebracht werden; wobei sich Winterspiele mangels Interesse eigentlich schon erledigt haben, denn auch München hat den Sommer im Blick.
Neben der Metropole an der Isar gelten Berlin, Hamburg, Leipzig und die Region Rhein-Ruhr als Interessenten - wobei es nicht um die Bewerbung einer Stadt, sondern einer Region geht. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) lässt mittlerweile Bewerbungen von mehreren Städten zu.
Geht es nach Schenk, sollte man sich mehr Zeit nehmen, bevor man die Kandidatur beim IOC anmeldet. "Eine Olympia-Bewerbung ist kein Allheilmittel für aktuelle Probleme des Sports, sondern verlangt eine Vorstellung davon, wie eine Stadt, ein Land 2036 oder 2040 aussehen soll", erklärte sie. "Wie es zuvor vorbereitet wurde, halte ich es für ausgeschlossen, sich für 2036 mit Aussicht auf Erfolg zu bewerben."
Schenk: "International sind wir weitgehend abgehängt"
Der deutsche Sport müsse sich zunächst auch in die internationalen Debatten einbringen und präsenter sein: "International sind wir weitgehend abgehängt, sind weder Teil der Debatte noch wird diese ausreichend verfolgt und den Menschen in Deutschland vermittelt." Der DOSB brauche eine Sport-Außenpolitik, "statt so zu tun, als ob eine vorrangig auf den Sport und die nationale Sichtweise bezogene Bewerbung ausreichend" sei. "Ich hoffe, dass Michael Mronz als neues IOC-Mitglied da wichtige Akzente setzt", sagte Schenk. Der Sportmanager und Macher der Initiative Rhein-Ruhr war vergangene Woche ins IOC gewählt worden.
Für Brause ist es bisher nur ein "vorgelagerter Prozess", dessen Erkenntnisse und Ergebnisse in einer "Frankfurter Erklärung" zusammengefasst werden. Die Verabschiedung dieser Erklärung auf der DOSB-Mitgliederversammlung am 2. Dezember wäre die Legitimierung für die nächste Stufe des Prozesses. Bis Sommer nächsten Jahres soll dann ein Grobkonzept für Olympia "Made by Gemany", also mit Bürgerbeteiligung, fertig sein.
Das finale Go, in den informellen Dialog mit dem IOC einzutreten, soll der DOSB-Konvent Ende 2024 geben. Brauses Optimismus, dass bis dahin die Bevölkerung auch dahinterstehen wird, stärkt eine aktuelle Umfrage des Dachverbandes, wonach 70 Prozent eine Bewerbung positiv sehen. "Das ist auch ein Teil der Wahrheit", sagte er.