Die Spieler der Hannover Scorpions. © Imago images

Eishockey: Hannover Scorpions klopfen laut an die Zweitliga-Tür

Stand: 03.02.2023 20:40 Uhr

Zehn Jahre in der Oberliga Nord sind aus Sicht der Hannover Scorpions mehr als genug. Der deutsche Eishockey-Meister von 2010 will unbedingt zurück in die Zweitklassigkeit. Im Norden sind die Scorpions der Konkurrenz weit voraus. Aber da sind ja noch die starken Teams aus dem Süden.

von Christian Görtzen

Sollte Jochen Haselbacher die wohl schönste Niederlage seines Lebens benennen, müsste er dafür gedanklich fünf Jahrzehnte zurückblättern. Im März 1973 war der damals 29-Jährige in der Gemeinde Wedemark politisch stark engagiert. "Ich bin seinerzeit für die CDU auf die Straße gegangen und habe Handzettel verteilt - gegen den Bau einer Eishalle in Mellendorf, für ein Altenheim. Das ist der Anfang meiner Eishockey-Geschichte", sagte der Geschäftsführer der Hannover Scorpions dem NDR.

"Ich dachte, dass man mit einem Seniorenheim besser punkten könnte als mit einer neuen Idee von einem Eisstadion, das war die Motivation." Ein Ergebnis des Wahlausgangs: Schon 1974 wurde das Eisstadion im Wedemarker Ortsteil Mellendorf feierlich eröffnet.

Scorpions weit vor den anderen Nord-Clubs

Hätten sich die Christdemokraten um Haselbacher durchgesetzt, würde die deutsche Eishockey-Historie anders aussehen. Dann hätte es zumindest 1975 nicht die Gründung des ESC Wedemark gegeben und höchstwahrscheinlich 1996 nicht den Aufstieg eines Teams unter dem Namen Wedemark Scorpions in die Deutsche Eishockey Liga (DEL). Die Umbenennung in Hannover Scorpions, die Entwicklung zur Spitzenmannschaft und der Gewinn der deutschen Meisterschaft (2010) würden in den Annalen sicherlich genauso fehlen.

Und vielleicht hätte es den Verein überhaupt nie gegeben - und damit auch nicht die aktuelle sportliche Situation. Die sieht so aus, dass der Club nach zehn Jahren in der drittklassigen Oberliga prächtig aufgestellt ist, um endlich den Aufstieg in die DEL 2 zu schaffen.

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Das Problem aus Sicht des Ligaprimus': Mit dem ersten Platz in der Hauptrunde ist noch nichts erreicht. Die ersten acht Teams aus dem Norden treffen in den verzahnten Play-offs auf die Besten aus dem Süden, um letztlich den einzigen Aufsteiger auszuspielen.

Brechen die Scorpions den Bann für die Nordclubs?

In der jüngeren Vergangenheit sind die Scorpions zweimal an den Süd-Vertretern gescheitert: 2021 an den Selber Wölfen, vor einem Jahr an den Eisbären Regensburg. Und auch dieses Mal droht im Finale ein starker Gegner. "Die beiden besten Teams aus dem Süden sind schon außerordentlich gut. Weiden ist natürlich sehr stark, die stehen ähnlich deutlich oben in der Tabelle wie wir. Rosenheim haben wir in den letzten vier Jahren zwar drei Mal im Halbfinale eliminiert, aber das ist natürlich ebenfalls kein leichter Gegner", sagte Haselbacher.

Gut sei, dass in dieser Saison der Norden das Heimrecht habe, fügte der 79-Jährige hinzu. In der Best-of-five-Serie würde somit das entscheidende Spiel im eigenen Stadion stattfinden.

"Die Truppe ist richtig gut zusammengewachsen." Jochen Haselbacher

Was ihm zusätzlich Mut macht, dass endlich der Sprung in die Zweitklassigkeit gelingt: der Zusammenhalt im Team. "Wir haben wirklich eine gute Mannschaft. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den letzten Jahren eine solch gute Harmonie gehabt hätten. Von daher rechnen wir uns schon etwas aus", sagte der gebürtige Celler, der über seine Kinder zu dem Sport fand und zu Beginn der 1990er-Jahre in die Vereinsführung des ESC Wedemark eintrat.

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Und dann ist da ja noch Chefcoach Kevin Gaudet - ein "richtig Guter", so Haselbacher. Der gebürtige Kanadier ist seit dieser Saison wieder Trainer bei den Scorpions - schon zum dritten Mal. Erstmals zum Beginn der Saison 1991/1992 im Alter von nur 28 Jahren als Spielertrainer. Im zweiten Oberligajahr unter ihm gelang seinerzeit der Aufstieg in die Zweite Liga, 1996 dann sogar der Sprung in die Eliteliga - Gaudet weiß also, wie es geht.

Gaudet: Oberliga "härteste Liga, um Meister zu werden"

Einen Automatismus will der 59-Jährige daraus aber nicht ableiten. Er betont vielmehr, wie unglaublich schwierig es sei, durch die Schleuse Oberliga endlich höher zu klettern. "Eine Wiederholung des Aufstiegs wäre natürlich ein Traum", sagte Gaudet dem NDR. "Aber das ist die härteste Liga, um Meister zu werden. In der DEL weißt du genau: Mannheim oder München werden Meister, in der DEL 2 Kassel oder vielleicht Dresden. Hier hast du Rosenheim, Weiden, Halle, uns - es gibt viele Mannschaften, die das schaffen können. Wir haben ein Top-Team, einen Top-Etat, aber das haben die dort auch. Es wird sehr schwer."

Starkes Band zwischen Gaudet und den Haselbachers

Ein Aufstieg würde, da ist sich Gaudet sicher, in Hannover eine "unglaubliche Euphorie entfachen. Zweimal das zu schaffen, das wäre für mich ein Traum. Und dann kommt irgendwann der nächste, nämlich die Zweite Liga zu gewinnen - so sind einfach die Haselbachers. Und das macht Spaß", sagte der Kanadier, der seit vielen Jahren mit der Familie Haselbacher eng verbunden ist.

Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Robin Niderost, die zugleich Fitnesscoach bei den Scorpions ist, feierte er mit Jochen Haselbacher und dessen Frau Christiana sogar gemeinsam Heiligabend. Gaudet: "Wir waren von Beginn meiner ersten Zeit hier sofort eine Familie. Das ist auch der Grund, warum ich zurückgekommen bin - eigentlich der größte Grund."

Indians-Chef Gysau wünscht Scorpions den Aufstieg

Nachbar Hannover Indians würde einen Aufstieg der Scorpions differenziert betrachten. "Für unsere Fans sind es schon zu viele Derbys, das ist nichts Besonderes mehr - mit Ausnahme des Wintergames, auf das sich alle gefreut haben. Die letzten 13 Derbys gegen die Scorpions haben wir allesamt verloren. Das würde uns natürlich nicht fehlen", sagte Indians-Geschäftsführer Andy Gysau dem NDR.

"Aber wir haben gegen die Scorpions zweimal am Pferdeturm ein ausverkauftes Haus, mit 4.600 Zuschauern. Das ist natürlich ein Posten in der Etat-Planung, auf den wir nicht so leicht verzichten könnten. Aber nur, weil die Scorpions jetzt vorneweg marschieren, heißt das ja auch noch nicht, dass sie automatisch aufsteigen werden."

"Wir müssen eishockeytechnisch im Norden zusammenhalten." Andy Gysau

Gysau ist aber weit entfernt von Missgunst - im Gegenteil. "In den letzten Jahren sind immer die Mannschaften aus dem Süden aufgestiegen. Für Eishockey-Norddeutschland wäre es natürlich positiv, wenn die Scorpions den Weg schaffen würden. Das muss man ganz klar sagen. Wir müssen eishockeytechnisch im Norden zusammenhalten. Da wäre jede Mannschaft Gold wert, die höherklassig spielt", sagte er.

Etat würde bei Aufstieg auf zwei Millionen Euro steigen

Jochen Haselbacher, dessen Sohn Eric als Manager die Zusammensetzung des Kaders verantwortet, weiß natürlich um die Herausforderungen in der höheren Liga. "Wir würden danach in der DEL 2 sicherlich nicht um Platz eins mitspielen. Aber wir würden alles tun, dass wir nicht direkt gegen den Abstieg spielen. In dieser Saison haben wir einen Etat von 1,5 Millionen Euro, das ist für uns sehr viel. Mit zwei Millionen Euro muss man in der DEL 2 schon rechnen", erklärte Haselbacher senior. Mit dem Budget sei man unter den Zweitligisten am oberen Rand des unteren Drittels.

Viele bauliche Änderungen in der Eishalle Mellendorf seien nicht notwendig, versicherte Haselbacher: "Das Stadion ist absolut zweitligatauglich. Von der Zuschauerkapazität, den Banden an der Spielfläche, von allen Dingen, die wir brauchen."

Tor-Kameras müssten noch installiert werden. Vorschrift der DEL 2. Kostenpunkt: rund 100.000 Euro. Aber Haselbacher schreckt das nicht ab. "Machbar!", findet er. Die Signale aus der Liga bestärken ihn zudem darin, noch einmal den Sprung in die Zweite Liga zu wagen. "Die DEL 2 will uns gerne haben."

Haselbacher räumt eigene Aussage zur DEL ab

Andersherum sei das lange Jahre ganz anders gewesen, räumt der Geschäftsführer ein. Die vielen Bestimmungen der DEL damals zu Erstligazeiten, der Umzug nach Hannover in die dortige Arena, der Verkauf der Lizenz an Schwenningen und der Neuaufbau der Scorpions in der Oberliga Nord - das alles habe viel Kraft gekostet.

"Ich habe damals gesagt: 'Ich mache nie wieder DEL, das halte ich nervlich nicht durch'", erzählte der Macher des Clubs lachend. "Jetzt stehen wir wieder vor der Situation, dass wir an der Tür zur Zweiten Liga anklopfen. Und natürlich will man als echter Sportler aufsteigen, ganz klar."

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 04.02.2023 | 19:30 Uhr

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