St.-Pauli-Urgestein Walter Frosch: Leben als steter Zweikampf
Walter Frosch war ein Mann der Extreme: Er stellte Gelbe-Karten-Rekorde auf und schonte weder sich noch die Gegenspieler. Beim FC St. Pauli wurde er zu einer Kultfigur und in die Jahrhundert-Elf gewählt. "Niemals aufgeben" war sein Lebensmotto - auch im Kampf gegen den Krebs nach seiner Fußball-Karriere. Am 23. November 2013 starb Frosch im Alter von 62 Jahren.
Den härtesten Zweikampf seines Lebens hat Walter Frosch nicht auf dem Fußballplatz gegen einen Stürmer geführt. Den focht das Urgestein des FC St. Pauli mit sich selbst aus, mit seinem Körper. Dabei erwies sich der einst so hartgesottene Verteidiger der Braun-Weißen als weitaus zäher als in jedem umkämpften Spiel auf dem Rasen. "Niemals aufgeben" war seine Devise auf dem Feld und sie war es auch nach seiner aktiven Karriere, als der einstige Profi gegen die Folgen mehrerer Krebsoperationen ankämpfte.
"Mein schwerster Gegner war immer die Kneipe"
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass "Froschi", der dank seiner kompromisslosen Haltung auf und abseits des Fußballplatzes zur Kultfigur beim Kiezclub und in der Hamburger Fußball-Szene wurde, Raubbau an seinem Körper betrieben hat. Denn das Motto "Niemals aufgeben" galt für den "Grätschenkönig" auch am Kneipen-Tresen und nicht zuletzt bei den Zigaretten. Während seiner aktiven Karriere rauchte Frosch bis zu 60 Stück am Tag. "Mein schwerster Gegner war immer die Kneipe", hat er einmal gesagt. Reue war aber nicht seine Sache. "Ich weiß auch, dass ich nicht gesund gelebt habe. Das braucht mir keiner zu erzählen." Am 23. November 2013 verstarb Walter Frosch im Alter von 62 Jahren, nachdem er zuvor nach einem Herzstillstand mehrere Wochen im Wachkoma gelegen hatte.
400-Meter-Wettrennen um zehn Liter Bier
Es gibt viele, die meinen, der am 19. Dezember 1950 in Ludwigshafen geborene Frosch hätte eine weitaus größere Karriere hinlegen können. "Herr Frosch, Sie könnten viel höher spielen, wenn Sie solider leben würden", sagte sein damaliger Trainer beim 1. FC Kaiserslautern, Erich Ribbeck, zu ihm. Bei den "Roten Teufeln" kickte der pfeilschnelle Verteidiger von 1973 bis 1976. Dann hatten die Pfälzer genug von den Eskapaden des Lebemanns.
Eine von unzähligen Anekdoten hat Frosch einmal selbst öffentlich zum Besten gegeben. Vor einem Spiel gegen den FC Schalke 04 war er demnach mit Freunden bis drei Uhr nachts unterwegs. Der FCK-Profi hatte dann die Idee, noch ein 400-Meter-Wettrennen zu machen, gab jedem seiner sechs Zech-Kumpeln 100 Meter Vorsprung und gewann trotzdem. Der Lohn waren zehn Liter Bier. Vor dem Spiel erwiderte der Nachtschwärmer den misstrauischen Blick Ribbecks in seine rot unterlaufenen Augen mit einem einzigen Wort: "Bindehautentzündung". Den flinken Linksaußen der Schalker, Erwin Kremers, hatte Frosch dann trotzdem im Griff. In den ersten Spielminuten "habe ich den dreimal über die Bande gehauen, damit da Feierabend war". Der Nationalspieler wurde nach 18 Minuten ausgewechselt. Schon damals hätte das Talent Frosch beim FC Bayern München spielen können. Doch wie so oft stand sich der selbstbewusste Verteidiger selbst im Weg.
"Ein Walter Frosch spielt nur in der A-Mannschaft oder Weltauswahl"
Als er 1973 bereits in Kaiserslautern unterschrieben hatte, empfahl ihn ausgerechnet Weltmeister und FCK-Ikone Fritz Walter den Bayern aus München. Dort unterzeichnete Frosch ebenfalls einen Vertrag, legte sich aber gleich mit Trainer Udo Lattek an. "Warum flankst du nicht mit links", schrie ihn der Star-Coach an, als Frosch sich den Ball immer wieder auf rechts gelegt hatte. "Weil die anderen das auch nicht machen." Lattek: "Wenn du keine Lust hast, dann geh' duschen." Froschs Antwort vor dem Abgang: "Mach ich."
Letztlich musste der streitbare Kicker zum FCK. Der DFB sperrte ihn aufgrund der zwei unterschriebenen Verträge für vier Monate. Die Zeit bis zur Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes verbrachte Frosch übrigens auf Mallorca. Die Krönung seiner verbalen Grätschen ließ nicht lange auf sich warten. Die Einladung von Bundestrainer Jupp Derwall für die deutsche B-Nationalmannschaft konterte Frosch wie folgt: "Ein Walter Frosch spielt nur in der A-Mannschaft oder in der Weltauswahl."
Kneipengänger, Kettenraucher und Kettenhund
In Kaiserslautern abgeschoben, blieb für das Enfant Terrible 1976 eigentlich nur ein Verein übrig, der zu ihm passte: der FC St. Pauli. Mit der Nähe zum Hamburger Kiez fühlte sich der Kneipengänger, Kettenraucher und Kettenhund der gegnerischen Stürmer wohl. Sechs Jahre im St.-Pauli-Trikot reichten Frosch, um Kultstatus zu erlangen, ehe er noch einmal zu Altona 93 wechselte. Mit den Kiezkickern feierte der langhaarige, schnauzbärtige und beinharte Verteidiger 1977 den Bundesliga-Aufstieg. In 37 Partien kassierte Frosch eine hohe Zahl an Gelben Karten, die Angaben variieren zwischen 18, 20 und gar 27. Wie viele es auch immer waren. Froschs rekordverdächtige Kartensammlung war einer der Hauptgründe, warum der DFB eine automatische Spielsperre nach damals vier und heute fünf Verwarnungen eingeführt hat.
Lange Leidenszeit
Knapp 20 Jahre später zeigte ihm dann sein Körper die Gelbe Karte. Ein bösartiger Tumor im Gaumenbereich wurde diagnostiziert. Der Beginn seines härtesten Zweikampfs, den um sein Leben. Im Jahr 2008 lag die St.-Pauli-Ikone nach einer Lungenoperation und Blutvergiftung für 111 Tage im künstlichen Koma. Als Frosch wieder aufwachte, sagte man ihm, dass das mit dem Sprechen nichts mehr werde und er wohl ein Pflegefall bleibe - für den ehemaligen Abwehrrecken inakzeptabel.
Mit eiserner Disziplin, schon lange ohne Alkohol und Zigaretten, kämpfte sich das St.-Pauli-Urgestein zurück ins Leben. In der Fankurve des Millerntorstadions haben die St.-Pauli-Anhänger damals ein Plakat nach oben gereckt. "Niemals aufgeben, Walter Frosch!" stand darauf geschrieben. Froschs Antwort einen Tag vor seinem 59. Geburtstag im Dezember 2009: "Ich will irgendwann wieder Fußball spielen und werde 80 Jahre alt." Am 23. November 2013 verstarb Walter Frosch im Alter von 62 Jahren.