HSV Hamburg: Von Europas Thron in den Abgrund
Erst Chaos-Club, dann Champions-League-Sieger, dann wieder Chaos mit Lizenzentzug: Der HSV Hamburg hat in seiner Geschichte eine wahre Achterbahnfahrt hingelegt, an deren vorläufigen Ende nun die Abmeldung der Profis vom Spielbetrieb in der Handball-Bundesliga steht. Schon zu Beginn des Projekts "Profi-Handball in Hamburg" bestimmten Schlagzeilen abseits des Balles die Nachrichtenlage rund um den HSV: Personalfluktuation in der Führungsetage, Etatlücken, Verstoß gegen die Bundesliga-Lizenzauflagen, Punktabzug - die Liste der Horror-Meldungen ließe sich lange fortsetzen. Tiefpunkt Anfang 2005: die Insolvenz der Trägergesellschaft Omni Sport GmbH sowie die Verurteilung von deren Geschäftsführer Winfried M. Klimek wegen Betrugs. Kein Wunder, dass die Konkurrenz das Geschehen beim "Projekt" HSV argwöhnisch beäugte. Erst die Spielzeit 2006/2007 brachte die Wende. Nach der Konsolidierung des Club-Umfelds fand auch die Mannschaft auf dem Handball-Parkett in die Erfolgsspur.
Erst Präsident Andreas Rudolph bringt zunächst Ruhe
Begonnen hatte alles 1999. Da übernahm der HSV Lübeck die Bundesligalizenz des VfL Bad Schwartau und bildete mit diesem die Spielgemeinschaft (SG) VfL Bad Schwartau. 2002 folgte aus wirtschaftlichen Gründen der Umzug nach Hamburg und der Erwerb des Namens und des Logos des Traditionsvereins HSV. Das Pokalfinale und der Gewinn des Supercups 2004 unter Trainer und Triebfeder Bob Hanning boten sportlich Erfreuliches, doch hinter den Kulissen brodelte es weiter. Erst die Amtsübernahme des jetzigen Präsidenten Andreas Rudolph Anfang 2005 - inklusive eigener kräftiger Finanzspritzen - führte den wirtschaftlich klammen Verein in ruhigeres Fahrwasser, auch wenn Trainer Hanning Anfang Mai 2005 nach einer Spielerrevolte gehen musste. Nach einem Intermezzo von Christian Fitzek führte Trainer Martin Schwalb den Club in die nationale Spitze. Nicht nur sportlich hat sich der HSV in Hamburg etabliert. Nach schwierigen Anfangsjahren strömen inzwischen durchschnittlich knapp 10.000 Fans pro Spiel in die Arena.
Schwalb formt ein Spitzenteam
Obwohl Schwalb nicht immer unumstritten war, formte er den HSV zu einer Spitzenmannschaft. Nach zwei DHB-Pokalsiegen und dem Erfolg im Europacup der Pokalsieger feierte der Club in der Saison 2010/11 endlich die ersehnte erste deutsche Meisterschaft. Nach einem 35:30-Erfolg am viertletzten Spieltag gegen den VfL Gummersbach knallten in Hamburg die Sektkorken. Wie groß das Vertrauen in Meistertrainer Schwalb in Hamburg ist, zeigt die Tatsache, dass der ehemalige Nationalspieler im Juni zum neuen Vereins-Präsidenten gewählt wurde. Er folgte Club-Mäzen Rudolph, der seinen Abschied nach der Saison 2010/11 frühzeitig angekündigt hatte - und ein großes finanzielles Loch hinterließ. Doch noch während der verkorksten und titellosen Saison 2011/2012 (nur Rang vier) nahm Schwalb wieder auf der Trainerbank Platz, sein Nachfolger in der Clubführung wurde Matthias Rudolph, der Ende 2013 allerdings zurücktrat und das Ruder wieder an seinen Bruder Andreas übergab.
Champions-League-Sieg 2013
Erst im September 2012 löste der HSV bei einem Qualifikationsturnier eine Wildcard für die Champions League. Was dann folgte, kam einem Wunder gleich: Die Hamburger qualifizierten sich für das Final Four in Köln, wo sie im Halbfinale überraschend Titelverteidiger Kiel in die Schranken wiesen. Im ersten Champions-League-Finale überhaupt gelang dann sogar der ganz große Coup mit einem Sieg über den FC Barcelona.
Lizenzentzug und Abmeldung vom Spielbetrieb
Die Turbulenzen innerhalb des Vereins waren mit dem großen Erfolg allerdings nicht beendet. Der ehemalige HSV-Fußballer Frank Rost sollte als Geschäftsführer für frischen Wind sorgen. Nach nicht einmal zwei Monaten im Amt wurde er entlassen. Auch die Finanzlage entspannte sich nicht. Andreas Rudolph kehrte im November als Präsident zurück und musste erneut mit Geld aus seinem Privatvermögen einspringen. Anfang Mai erklärte er überraschend seinen Rücktritt sowie das Ende seiner finanziellen Zuwendungen. Die Folge: Die HBL verweigerte dem HSV eine Woche später die Lizenz für die Bundesliga-Saison 2014/2015. Ende Juni wurde dieser Beschluss vom unabhängigen Schiedsgericht wegen Formfehlern wieder aufgehoben.
In der Saison 2015/2016 wurden die finanziellen Schwierigkeiten bei den Hanseaten erneut riesengroß. In der Woche vor Weihnachten stellte der Bundesligist einen Antrag auf Insolvenz, das Verfahren wurde im Januar 2016 eröffnet. Am 25. Januar meldete der Club sein Profiteam mit sofortiger Wirkung vom Spielbetrieb in der Bundesliga ab. Die HSV-Farben vertreten nun die im e.V. angesiedelten U23-Handballer, die in der Oberliga um den Aufstieg in die 3. Liga kämpfen.