Braunschweigs Keita Endo ist enttäuscht. © picture alliance/dpa | Uwe Anspach

Eintracht Braunschweig in der Krise: Das ist die Lösung für die "Löwen"

Stand: 05.03.2023 09:11 Uhr

Nur ein Sieg aus den vergangenen zehn Spielen, zuletzt drei Niederlagen in Folge: Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig taumelt aktuell dem Abstieg entgegen. Die Datenanalyse offenbart zahlreiche Stellschrauben, an denen Trainer Michael Schiele drehen könnte. Die größte ist allerdings das Spielsystem.

von Matthias Heidrich

Bei Braunschweig und vor allem seinem Coach herrscht Frust. Nach der jüngsten 1:3-Pleite in Düsseldorf musste sich Schiele schon selbst einen Maulkorb verpassen, um seinem Team nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. "Ich sage nicht alles, was mir durch den Kopf geht", erklärte der 44-Jährige und schüttelte bei der Beschreibung des ersten Gegentreffers nach 48 Sekunden selbigen. "Da sind wir bei einem Einwurf und im Zentrum nicht bei der Sache."

Wiebe und Decarli fallen länger aus

Konzentrationsschwächen einzelner Akteure sind das eine beim Tabellen-15., der heute (13.30 Uhr, im NDR Livecenter) den direkten Verfolger Bielefeld im Eintracht-Stadion empfängt - ohne Mittelfeldspieler Danilo Wiebe (Bruch im Schienbeinkopf) und Innenverteidiger Saulo Decarli (Muskelfaserriss in der linken Wade). Die generelle Ausrichtung auf dem Platz ist das andere.

"Die Gegner machen uns vor, dass man da, wo man Tore verhindern präsent und wo man Tore schießen effektiver sein muss." Eintracht-Trainer Michael Schiele

"Wir müssen schleunigst besser verteidigen - aggressiver, bedingungsloser, um zu Punkten zu kommen", so Schiele, der den Umkehrschluss - den drohenden Gang in die Drittklassigkeit - zwar nicht aussprach. Aber dieses Horror-Szenario steht im Raum.

Abstiegswahrscheinlichkeit bei 47 Prozent

Die GSN-Datenanalyse beziffert die Abstiegswahrscheinlichkeit der Eintracht aktuell mit 47 Prozent. Sie offenbart zudem die aktuellen Probleme der Braunschweiger, liefert aber auch taktische Lösungsansätze.

Unbequem sein, Nadelstiche setzen und über Konter zum Erfolg kommen, das sollen Schieles "Löwen" sein. Sie sind es aber nur teilweise. Das Eintracht-Team fällt im Ligavergleich weder durch eine besonders robuste Gangart, noch durch herausragende Laufarbeit auf: Bei der Intensität (Anteil Fouls an Zweikämpfen) liegt die Eintracht auf Rang 13 im Ligavergleich, bei der Anzahl der Zweikämpfe auf Platz elf. 112,21 Kilometer Laufleistung pro Spiel im Schnitt sind ebenfalls unteres Mittelmaß, genauso wie 647,45 intensive Läufe (jeweils Rang 13).

Vermeintliche Konterstärke ist gar keine

Immerhin: Mit knapp 217 Sprints pro Partie liegen die "Löwen" auf Platz vier. Kaschieren Pherai und Co. so die taktischen Mängel der Mannschaft als Ganzes? Fakt ist, dass das Teampressing zurzeit unterdurchschnittlich ist, sodass die Niedersachsen pro Spiel nur 7,41 Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte haben (Rang 17).

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Mit knapp 16 Kontern pro Partie fährt die Schiele-Elf ligaweit zwar die meisten, schließt aber nur 2,55 (16 Prozent) davon ab - Rang 13. Die "Löwen" bringen ihre vermeintliche Stärke also nicht ins Ziel.

Der Ball, mein Feind

Im geordneten Spiel mit Ball, den Braunschweig kaum hat (40 Prozent Ballbesitz, Rang 17), geht noch weniger. Die wenigsten angekommenen Pässe (263,91) und erfolgreichen Aktionen (480,68) verbuchen die Niedersachsen. Und außerdem die zweitwenigsten Positionsangriffe (52,59) aus dem laufenden Spiel heraus. Das alles läuft auf schlechte Abschlusspositionen und eine lediglich zehnprozentige Torwahrscheinlichkeit pro Schuss (Platz 17) hinaus. Damit ist in der Zweiten Liga kein Blumentopf zu gewinnen.

Es stellt sich die Systemfrage

In Summe sind es sehr viele Stellschrauben, an denen Schiele drehen muss. Bei der einen großen, dem Spielsystem, wäre ein anderer Dreh vermutlich die erfolgversprechendste Lösung. Weg von der 3-5-2-Taktik, hin zu einem 4-2-3-1, auch mit leicht verändertem Personal in der Startelf.

Eine klassische Viererkette würde die Außenbahnen defensiv besser absichern, vor allem wenn Niko Kijewski und Nathan de Medina die Außenpositionen besetzen. Mit Robin Krauße und Jannis Nikolaou könnten in dem System zwei aggressive Abräumer im Mittelfeld auflaufen, um dem dann als klassischen Spielgestalter positionierten Immanuel Pherai den Rücken freizuhalten. Manuel Wintzheimer als Stoßstürmer mit Pressingqualitäten würde da reinpassen.

Heißer März steht an

Wer wagt, gewinnt? Viel zu verlieren haben die "Löwen" jedenfalls nicht mehr und die Zeit drängt, auch wenn erst der 23. Spieltag ansteht. Nach Bielefeld geht es zum 1. FC Nürnberg, der ebenfalls eher nach unten als nach oben schauen muss. Das Derby am 19. März im eigenen Stadion gegen Hannover 96 rundet den heißen, richtungweisenden März für die Eintracht ab.

Stehen Schiele und Co. auch nach diesen drei Spielen noch kopfschüttelnd da, könnte womöglich die Zeit für ganz andere Korrekturen gekommen sein.

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 05.03.2023 | 22:50 Uhr

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