Werders "Millionending" und eine Schmach
Mit viel Geld kaufte sich Werder Bremen 1971 eine "Millionenelf" zusammen. Die Bilanz der verkorksten Spielzeit: sechs Trainer, Platz elf und eine Trikot-Schmach gegen den HSV in Hamburg.
Schöne, heile, beschauliche Werder-Welt: Seit Jahrzehnten tragen die Grün-Weißen das Klischee des grundsoliden und prinzipientreuen Fußballclubs vor sich her. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet jene Bremer mit ihrer "Millionenelf" in der Saison 1971/1972 den Startschuss für das bis heute anhaltende Wettrüsten in der Bundesliga gaben. Doch nicht nur in puncto Finanzen warf Werder in dieser Spielzeit die ehernen Grundsätze über Bord: Erstmals spielte der Meister von 1965 statt in Grün-Weiß in rot-weiß gestreiften "Speckflaggen"-Trikots mit dem Bremer Schlüssel auf der Brust und - welch eine Schmach - eine Halbzeit lang sogar in den Jerseys des Erzrivalen Hamburger SV.
Nur Netzer bekam Bremen nicht
Der Wechsel von den traditionellen Vereinsfarben auf das Design der bremischen Landesflagge war ein Kniefall vor potenten Geldgebern aus Stadt und Wirtschaft. Sie hatten mit einer kräftigen Finanzspritze dazu beigetragen, dass Werder vor der Saison 1971/1972 eine Million D-Mark und damit mehr als die Konkurrenz aus München und Mönchengladbach in neue Spieler investieren konnte und mit Herbert Laumen und Peter Dietrich aus Mönchengladbach sowie dem Dortmunder Sturmtalent Werner Weist Fußballer an die Weser lockte, auf die damals die halbe Liga scharf war.
Manager Hans Wolff ging mit einem Geldkoffer auf Einkaufstour durch die ganze Republik. Doch den dicksten Fisch, den zog er nicht an Land: Günter Netzer sollte ebenfalls aus Gladbach nach Bremen wechseln. Beide Seiten waren sich fast einig, da verlangte der Borussia-Star als Nebenverdienst noch die Vermarktung der Stadion-Zeitschrift "Werder-Echo". Der Deal scheiterte.
Laumen: "Sozialneid in Bremen"
Der Bremer Größenwahn vor jener Saison zeugte, so bizarr er zunächst erschien, von wirtschaftlicher Weitsicht. Denn mit dem Wegfall der bis dato gültigen Transferhöchstgrenze von 100.000 D-Mark in der darauf folgenden Saison hätte sich Werder nicht einmal ansatzweise noch eine solche Mannschaft zusammenstellen können. Die Rechnung hatten die Geschäftsleute jedoch ohne den Wirt gemacht.
Aufgrund mangelnder Absprachen mit der sportlichen Leitung und einer wachsenden Kluft zwischen altgedienten Leistungsträgern und neuverpflichteten Großverdienern blieb der sportliche Erfolg aus. "Es gab von vornherein eine regelrechte Cliquenwirtschaft: die alten, eingesessenen Platzhirsche gegen die teuren, dazugeholten Stars", erinnert sich Herbert Laumen im Buch "Lebenslang Grün-Weiß" von Arnd Zeigler an den "Sozialneid in Bremen". Vor allem Trainer Robert "Zapf" Gebhardt, der schon nach acht Spieltagen seinen Stuhl räumen musste, bekommt bei ihm sein Fett weg. "Wir waren fit, wir hätten bestimmt eine gute 4x400-m-Staffel abgegeben, aber wie man mit unseren Spielern gut Fußball spielen kann, das konnte er uns nicht vermitteln."
Werder-Schmach mit HSV-Raute auf der Brust
Werder verschliss in dieser verkorksten Saison insgesamt sechs Trainer - darunter Meistermacher Willi Multhaup - und landete nach einer Berg- und Talfahrt am Ende nur auf Rang elf. Das "Millionending" war gründlich schiefgegangen. Die größte Schmach, die widerfuhr den Werderanern allerdings beim Derby in Hamburg.
Die Bremer waren in ihren "Speckflaggen"-Trikots aufgelaufen, doch weil diese der weiß-roten HSV-Kluft zu sehr ähnelten, bestand Schiedsrichter Walter Eschweiler auf einen Kleiderwechsel in der Halbzeit. Die Bremer hatten nur einen Trikotsatz dabei. Und so mussten sie auf eine Leihgabe des Erzrivalen zurückgreifen und die blauen Hemden mit der HSV-Raute überstreifen. Am Ende verließen Kapitän Horst-Dieter Höttges und seine Kollegen mit hängenden Köpfen den Volkspark - mehr noch als die 1:2-Niederlage schmerzte wohl dieser historische Auftritt einer Werder-Elf im HSV-Dress.