Spielsucht: Beichte eines Bundesliga-Insiders
Alex Jacob war als Pressesprecher in der Fußball-Bundesliga tätig - und spielsüchtig. Der Rauswurf beim 1. FC Köln erwies sich als Rettung. Jacob begab sich in Therapie und bekam die Sucht in den Griff.
Als Alex Jacob anfängt, Mitarbeiter des 1. FC Kölns um Geld zu bitten, ziehen Jörg Schmadtke und Alexander Werle die Reißleine. Sie entlassen ihren damaligen Pressesprecher. Doch die harte Nachricht verbinden sie mit einem Hilfsangebot, das Jacob glücklicherweise annimmt. Heute bezeichnet er seinen Rauswurf als seine Rettung: "Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte keinen Ausweg mehr gesehen."
Alex Jacob war einer von rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Glücksspielstörung. Er war viele Jahre schwerst spielsüchtig, hat einen sechsstelligen Betrag verzockt und konnte nur mithilfe einer langen Therapie aus der Sucht finden. Heute kann Jacob wieder im Fußball arbeiten, ist wieder Pressesprecher, nun bei Arminia Bielefeld.
Es beginnt ganz harmlos
In den 1990er-Jahren beginnt seine Spielerkarriere, ganz harmlos. "Ich bin mit Freunden aus Schulzeiten ins Casino gefahren. Wir haben gesagt, 50 Mark setzt jeder ein, mehr nicht. Das war ein schönes Erlebnis unter Freunden."
Jacob findet mehr Gefallen am Spielen als seine Freunde. Bald fährt er auch allein ins Casino, macht die ersten Verluste. Parallel startet seine berufliche Karriere, er wird Sportjournalist, wechselt bald die Seiten. Als er Pressesprecher bei Hannover 96 wird, geht er nicht mehr ins Casino oder in Wettbuden. Sein problematisches Spielverhalten versteckt er, indem er nun ausschließlich online wettet.
Der Beginn eines verhängnisvollen Doppellebens. "Die Glücksspielsucht gilt auch als heimliche Sucht. Sie haben keine Einstiche wie beim Junkie. Sie haben keine Fahne, wie bei jemanden, der regelmäßig zu viel Alkohol trinkt", sagt der Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen: "Als Außenstehender können sie diese Erkrankung so gut wie gar nicht erkennen. Aus dem Binnenleben eines Betroffenen bedeutet das, dass sie leider die Chance haben, über Monate, Jahre, gar Jahrzehnte ein Doppelleben zu führen."
Sportwetten sind ein Milliarden-Geschäft
Mit Sportwetten werden in Deutschland Milliarden Euro umgesetzt. Fast alle Bundesligisten, die großen Verbände wie DFL und DFB, aber auch Sport-Medien haben Partnerschaften mit Glücksspielanbietern. Die Werbeeinnahmen von den Wettanbietern scheinen unverzichtbar. Und die omnipräsente Werbung suggeriert schon Jugendlichen, dass es doch ganz normal sei, "ein paar Euro" auf ein Bundesligaspiel setzen.
Sportwetten sind schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch die Probleme einer Glücksspielsucht sind es auch. Alex Jacob steht hier exemplarisch für ein Kernproblem, das der Glücksspielforscher Hayer beschreibt: "Viele Spieler halten sich im Fußball für so kompetent, dass sie eine Sportwette nicht als Glücksspiel, sondern als Investment mit abschätzbaren Risiken halten." Selbst für den langjährigen Bundesliga-Insider Jacob ein fataler Irrtum.
Verhängnisvoller Kreislauf
2015 holt Jörg Schmadtke, mittlerweile Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln, Jacob als Pressesprecher zu den "Geißböcken". Ein Karriere- und Gehaltssprung. "Und für den Verlauf meiner Krankheit fatal", sagt Jacob heute. Neben dem 24/7-Job verspielt er sein Gehalt teilweise innerhalb weniger Tage. Setzt auch mal 2.000 Euro pro Wette. "Ich habe immer in der Illusion gelebt, dass, wenn ich mit dem nächsten Gewinn meine Wettschulden abbezahlen kann, ich dann von heute auf morgen aufhöre."
Das Gegenteil ist der Fall. Er bittet immer mehr Menschen - auch im Verein - um Geld, seine Lügen fallen auf, das Vertrauensverhältnis ist zerstört. Doch seine Vorgesetzten Schmadtke und Wehrle erkennen, dass Jacob krank ist, und helfen ihm. "Du bist spielsüchtig, du brauchst Hilfe", sagt Schmadtke zu Jacob. Und dann hat er gesagt: "Wir helfen dir, aber du kannst nicht länger bei uns bleiben."
Rauswurf in Köln als Signal
Sein Rausschmiss ist der Beginn seines Wegs aus der Sucht. Anderthalb Jahre begibt sich Jacob in eine ambulante Reha, lebt wieder bei seinen Eltern, gibt die Kontrolle über sein Konto ab. "Ohne diese Hilfe wäre ich heute vielleicht nicht mehr da", sagt Jacob.
Heute warnt der 48-Jährige vor den Gefahren der Glücksspielsucht und berichtet auf Präventionsveranstaltungen von seinem Schicksal. "Wenn ich nur einen Menschen davor bewahren kann, das zu erleben, was ich durchgemacht habe, dann hat es sich gelohnt", sagt Jacob.