Meppen-Held Álvarez: Gänsehaut nach monatelanger Schlammschlacht
Marcos Álvarez hat dem SV Meppen mit seinem Siegtor zum 2:1 gegen 1860 München neues Leben im Drittliga-Abstiegskampf eingehaucht. Für den Fußballer war es ein besonders emotionaler Moment in seiner Laufbahn. Über ein Jahr lang hatte er kein Pflichtspiel bestritten, nachdem er bei seinem Ex-Club KS Cracovia in Ungnade gefallen war.
"Mir wurde kein Respekt engegengebracht. Ich wurde behandelt wie Müll." Es waren deutliche Worte, die Álvarez kurz vor dem Jahreswechsel in einem Interview mit dem polnischen Portal "weszlo.com" über seine Zeit beim Krakauer Club aus der polnischen Eliteliga Ekstraklasa wählte. Seinen ursprünglich noch bis zum kommenden Sommer datierten Vertrag bei Cracovia kündigte der 31-Jährige kurz darauf wegen ausstehender Gehaltszahlungen. Dagegen wiederum setzt sich der Verein zur Wehr.
Der Fall liegt nun beim Fußball-Weltverband FIFA. Álvarez fordert von Cracovia die ihm ursprünglich noch bis zum Auslaufen seines Kontrakts zustehenden 340.000 Euro. Der Club hat seinerseits Schadenersatz "wegen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten des Spielers" beantragt. Bis zu einer Entscheidung werden voraussichtlich noch Monate vergehen.
Wechsel vom VfL Osnabrück nach Polen
Dass sich beide Seiten nun unversöhnlich gegenüberstehen, war nicht abzusehen, als der Angreifer 2020 vom VfL Osnabrück nach Krakau wechselte. Die Polen holten den zuvor insbesondere in Deutschlands Dritter Liga sehr erfolgreichen Stürmer in der Hoffnung, dass er viele Tore für sie schießen würde. Der aus Hessen stammende Deutsch-Spanier erhielt einen hochdotierten Dreijahresvertrag. Das erste Auslandsengagement seiner Karriere schien für Álvarez ein Sechser im Lotto zu sein.
Nur drei Tore in eineinhalb Jahren für Cracovia
Doch der vormalige Osnabrücker konnte die Erwartungen des Clubs nicht erfüllen. Lediglich zwei Treffer erzielte er in seiner ersten Saison im Cracovia-Trikot. Nur ein weiteres Tor kam in der Hinrunde der darauffolgenden Halbserie hinzu. Nach dem Jahreswechsel 2021 soll der 31-Jährige nach Darstellung des Clubs mit Übergewicht aus dem Heimaturlaub zurückgekehrt sein. Daraufhin wurde Álvarez in die zweite Mannschaft strafversetzt und durfte auch nicht mit den Profis ins Winter-Trainingslager in die Türkei reisen.
Dass der Verein nicht mehr mit ihm plant, hatte ihm der Sportdirektor zwar persönlich mitgeteilt, dabei allerdings die anderen Maßnahmen verschwiegen. "Das habe ich aus unserer WhatsApp-Gruppe erfahren", beklagte sich der Stürmer im Portal "sportsfakty.wp."
Álvarez wehrte sich gegen vorzeitigen Abgang
Cracovia wollte Álvarez anschließend von der Gehaltsliste bekommen. Man wollte dem Deutsch-Spanier einen Wechsel nach Israel schmackhaft machen. "Es gibt ein Angebot. Und es gibt Druck. Cracovia will mich so schnell wie möglich loswerden. Und auch der israelische Club will, dass ich mich so schnell wie möglich entscheide. Aber das ist nicht einfach für mich", erklärte der Torjäger. Er und seine Familie fühlten sich wohl in Polen. Zudem hatte seine Frau gerade das dritte gemeinsame Kind zur Welt gebracht.
Er wolle kein Chaos in das Leben seiner "Lieben" bringen, das mit einem Wechsel zu einem anderen Club verbunden wäre, sagte der Stürmer damals. Er hoffte zu diesem Zeitpunkt noch darauf, weiter für Cracovia auflaufen zu können.
Abgeschoben ins Reserveteam
Aber die Tür zum Profi-Team war für ihn verschlossen. Also trainierte er zunächst wie vom Verein vorgesehen mit der Reservemannschaft und absolvierte auch drei Partien für das Team von Coach Piotr Gizeh. Allerdings nur bis Ende März des vergangenen Jahres. Dann stellte er die Arbeit ein, weil Cracovia mit Gehaltszahlungen in Verzug war. Präsident Janusz Filipiak gab zwar zu, dass der Verein wegen der Errichtung des Nachwuchsleistungszentrums in Rączna "hohe Schulden" habe und es deshalb zu Verzögerungen bei den Lohnzahlungen kommen könne: "Aber wir haben die zweimonatige Zahlungsfrist nicht überschritten."
"Ich fühle mich wie ein Gefangener"
Cracovia forderte Álvarez zweimal auf, in den Trainingsbetrieb der zweiten Mannschaft zurückzukehren. Doch der Stürmer blieb stur und pochte auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Oktober des vergangenen Jahres lehnte das Schiedsgericht des polnischen Fußball-Verbandes seinen Antrag auf Vertragsauflösung allerdings ab. Zudem urteilte es, dass das nicht Erscheinen zum Training des Reserveteams eine Verletzung der Vertragspflichten sei. Eine schallende Ohrfeige für Álvarez, der Krakau nur noch verlassen wollte.
"Ich fühle mich wie ein Gefangener. Mein Weihnachts- und Neujahrswunsch ist es, mich endlich wieder frei zu fühlen", sagte der 31-Jährige: "Aber ich werde meine volle Freiheit erst wieder erlangen, wenn die FIFA meinen Fall entschieden hat."
Cracovia-Boss: Àlvarez suchte nur Grund für Vertragskündigung
Kurz vor dem Jahreswechsel kündigte Álvarez seinen Kontrakt dann, nachdem er erneut vergeblich auf sein Geld gewartet hatte und schaltete die FIFA ein. Vereinsboss Filipiak sieht sich und den Club im Recht, wie er in der medial geführten Schlammschlacht der "Gazeta Krakowska" erklärte: "Wenn er im Verein geblieben wäre und für die Reserve gespielt hätte, hätten wir auch zahlen müssen. Es war unsere Pflicht, ihm die Möglichkeit zu geben, zu spielen. Er war in der Reserve, aber dort wollten sie ihn auch nicht haben." Filipiaks Mutmaßung: "Er hat nur nach einem Grund gesucht, um den Vertrag zu kündigen."
Neubeginn ohne Spielpraxis in Meppen
Vereinslos und ohne Spielpraxis kehrte Álvarez nach Deutschland zurück. Angebote waren daher rar. Meppen gab dem 31-Jährigen trotz seiner Vorgeschichte eine Chance, und der Angreifer bedankte sich nun mit dem Tor zum 2:1 gegen 1860 dafür. 17 Spiele nacheinander hatte der SVM in der Dritten Liga nicht gewonnen. "Mir wurde hier das Vertrauen geschenkt. Das ist nicht selbstverständlich. Es war für uns alle wichtig, dass der Knoten geplatzt ist. Dass ich dazu so einen großen Teil beitragen konnte, ist einfach Gänsehaut pur", sagte er dem NDR.
Dass er mit besonders kritischen Augen beäugt wird, ist Álvarez bewusst. "Viele von außen haben gesagt: 'Wieso holt man so jemanden'? Ich hoffe halt, dass ich mit solchen Momenten zeigen kann, warum sie mich geholt haben."