Hansa-Anhänger kehren ans Millerntor zurück - Polizei will Fans trennen
Beim Zweitliga-Nordduell heute zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock werden Hansa-Anhänger den Gästeblock am Millerntor nach knapp 14 Jahren erstmals wieder füllen. Die Polizei setzt auf Fan-Trennung. Aber wie kam es zu der langen Pause? Und woher rühren die Spannungen zwischen beiden Fan-Lagern?
Die Anhänger von Hansa Rostock betreten am Sonntagnachmittag auf St. Pauli im wahrsten Sinne des Wortes Neuland. Das alte, marode Millerntor war den Mecklenburgern geläufig, den neuen Gästeblock nach St. Paulis Stadionumbau kennen sie bisher nur von (TV-)Bildern. Am 6. März 2009 schöpften die Hansa-Fans zuletzt das Kontingent vollständig aus, noch in der alten Nordkurve. Sie sahen eine 2:3-Niederlage nach eigener Halbzeit-Führung und verließen mit hängenden Köpfen ein Stadion, das sie auf lange Zeit nicht wiedersehen würden.
Historisch gewachsene Fehde zwischen Fanlagern
Die Gründe dafür sind so vielschichtig wie die über Jahrzente gewachsene Antipathie beider Fanlager. In den 1990er-Jahren waren es politisch aufgeladene, zugespitzte Duelle zwischen überwiegend linken St. Paulianern und oftmals rechten Rostockern, in denen auch gesellschaftliche Konflikte der Nachwendezeit ausgetragen wurden.
Die Fanszene des FC Hansa veränderte sich in der Folge stark, die Begegnungen verloren an politischer Brisanz. Dennoch begleiteten die Klischees und gegenseitigen Spitzen auch in den folgenden Jahren die Partien, die weiter konfliktträchtige Aufeinandertreffen zweier (laut)starker Fanszenen blieben, bei denen es teilweise auch zu Ausschreitungen kam. Trotz oft großer Polizeipräsenz.
Im Protest vereint
Das hatte Folgen. Ob notwendige Maßnahme "zum Schutz", wie es die Polizei formulierte, oder viel diskutierte Einschränkungen gegenüber Fans - in der Konsequenz trafen die Anhänger fast nur noch im Ostseestadion aufeinander. 2010 wollte die Polizei Hamburg den Rostocker Fans lediglich 500 personalisierte Sitzplatzkarten genehmigen, die Gäste verzichteten in Absprache mit ihrem Verein auf das Kontingent. Es reisten sieben Rostocker Fans stellvertretend nach Hamburg, die ein Banner aufhängten und mit Anpfiff den Fanblock verließen.
Zwei Jahre später verbot die Polizei dem FC St. Pauli, generell Eintrittskarten an Anhänger von Hansa Rostock zu verkaufen. Die Braun-Weißen klagten erfolglos vor Gericht, die Fanszene der Kiezkicker solidarisierte sich vor dem Spiel bei einem Fanmarsch mit den Hansa-Anhängern, die in Altona für Fanrechte demonstrierten. Nur wenige Hansa-Anhänger schafften es ins Millerntor und verfolgten die Partie im Gästeblock.
2021: Hansa verzichtet wegen 2G
Beim vorerst letzten Aufeinandertreffen im Oktober 2021 verzichteten die Rostocker dann freiwillig auf die Eintrittskarten. Der Grund: In Hamburger Stadien galt seinerzeit die 2G-Regelung, wonach nur Geimpfte und von Corona Genesene Zutritt erhielten. Statt an Hansa-Fans verkaufte St. Pauli die Karten an eigene Anhänger, die einen 4:0-Sieg sahen.
Hansa-Ultras reisen in Bomberjacken an
Nun also heute (13.30 Uhr, im NDR Livecenter) die Rückkehr ans Millerntor. Und sie wird alles andere als leise. Denn die Ultras haben eine Mottofahrt angekündigt und wollen mit Bomberjacken für einen einheitlichen und optisch martialischen Auftritt sorgen. "Mit breiter Brust für Hansa!" lautet das Motto - die geplante Aktion findet auch unter dem eigenen Anhang nicht nur Zuspruch.
Um 9.38 Uhr treffen die Mecklenburger laut Fahrplan per Regionalexpress in Hamburg ein, zur selben Zeit versammeln sich die Anhänger der Braun-Weißen, um sich in ihrem Viertel auf das Nordderby einzustimmen. Die Hamburger Polizei stellt sich mit starken Kräften auf die Partie ein, die als Hochrisikospiel eingestuft wurde. Mehrere Hundertschaften werden im Einsatz sein.
Polizei will Fan-Lager trennen
"Die Fan-Trennung ist das A und O", sagte eine Polizeisprecherin: "Nur dann sind wir in der Lage, vor allem die Sicherheit unbeteiligter Dritter zu gewährleisten." Den Rostocker Fans sei ein Angebot gemacht worden: Die Hansa-Anhänger sollen in zwei Sonder-S-Bahnen vom Hauptbahnhof zu den Landungsbrücken fahren und könnten von dort - von der Polizei begleitet - zum Stadion gehen.
"Ob das Angebot angenommen wird, wissen wir nicht", sagte die Sprecherin. Es gelte formal bis Sonntagmorgen. Alternativ sollen die Rostocker Fans in Sonder-U-Bahnen vom Hauptbahnhof zur Feldstraße fahren. Das einheitliche Tragen von Bomberjacken sei zwar provokativ und auch problematisch, rechtlich aber nur schwer einschränkbar, so die Sprecherin.
Über die gesamte Stadt soll ein "engmaschiges Aufklärungsnetz" gelegt werden, um mögliche Konflikte schnell zu erkennen und eingreifen zu können. Im ausverkauften Stadion werden keine alkoholischen Getränke verkauft, es gibt eine Pufferzone zwischen dem Heim- und Auswärtsbereich. So bleiben etwas mehr als 200 Steh- und Sitzplätze frei.
Banner aus dem Hinspiel sorgen für Ärger
Und so ganz unpolitisch dürfte diese Begegnung dann doch nicht werden. Denn während des Spiels in der Hinrunde zeigten Hansa-Fans LGBTQ-feindliche Spruchbänder, der Club erhielt dafür und für den Einsatz von Pyrotechnik eine Geldstrafe von 31.200 Euro. Der FC Hansa legte Einspruch ein, auf Antrag der Mecklenburger verschob das DFB-Sportgericht nun die ursprünglich für Freitag (24.2.) terminierte mündliche Verhandlung. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.
Möglich, dass St. Paulis Fans auf die Banner Bezug nehmen werden. Oder Hansas Anhänger noch einmal nachlegen. Und damit die brisante Geschichte dieses Duells um ein weiteres Kapitel ergänzen.