HSV zwischen Spektakel und Seriosität - Ein Schritt zu mehr Balance
Zweitligist HSV hat Bundesliga-Absteiger Hertha BSC klar mit 3:0 geschlagen und phasenweise sehr guten Fußball gespielt. Wichtiger noch war die mentale Robustheit in einem durchaus nicht einfachen Spiel.
Ein Fußballspiel verläuft nie linear, sondern in Wellenbewegungen. Die Stärke einer Mannschaft bemisst sich auch daran, wie sie Situationen im Verlauf einer Partie erkennt, damit umgeht und darauf reagiert. Es ist etwas, was Hamburgs Trainer Tim Walter "bei sich bleiben" nennt. Das wirkt bisweilen ziemlich mantra-artig, am Sonnabend beim 3:0 gegen den Bundesliga-Absteiger aber gelang es den "Rothosen" in dieser Saison erstmals in den drei entscheidenden Spielabschnitten adäquat auf die jeweiligen Herausforderungen zu reagieren.
Der HSV war resilient nach Rückschlägen
Da war die Phase von der 18. bis zur 24. Minute, als die Walter-Elf Widerstände überwandt: Robert Glatzels vermeintliches 1:0 wurde wegen einer vorangegangenen Abseitsposition Jonas Mefferts annulliert, wenige Minuten später ein Foulelfmeter zurückgenommen, weil Laszlo Benes in der Entstehung den Ball mit dem Arm berührt hatte. Lange VAR-Minuten, die den HSV aber nicht aus dem Konzept brachten.
Beinahe wirkte es so, als spielten die Hamburger nach diesen wirren Minuten noch zielstrebiger auf die Führung - mit Druck, Offensivfreude und teils spektakulären Kombinationen. Etwas, das ihnen in der Vergangenheit wiederholt abging.
Nach der Führung drangeblieben
Die zweite Phase: Zwischen der 38. Minute bis in die Nachspielzeit hinein belohnte sich die Mannschaft mit dem schön herauskombinierten 1:0 durch Bakery Jatta und - ein Novum in der noch jungen Saison - blieb dran. Die Hanseaten schafften es, der Führung durch Benes' Foulelfmeter (45.+4) einen weiteren eigenen Treffer folgen zu lassen - und nicht, wie schon vier Mal in dieser Spielzeit, binnen fünf Minuten nach eigenem Tor einen Gegentreffer zu fangen. Zweimal war ihnen das beim 5:3 gegen Schalke 04 passiert, zweimal beim wilden 4:3 gegen Rot-Weiss Essen, als die Walter-Elf gleich drei Führungen aus der Hand gegeben hatte.
Sportchef Jonas Boldt hatte nach dem Pokalsieg gegen RWE am vergangenen Sonntag in markigen Worten ("Wir spielen hier gegen einen Drittligisten und nicht irgendwie an der Freibadstraße.") mehr Seriosität im Defensivverhalten, aber auch in der generellen Einstellung der gesamten Mannschaft gefordert.
Seriös verteidigt nach der Pause
Und so war auch Phase drei von der 46. bis zur 65. Minute wichtig, in der das S im Vereinsnamen des HSV nicht für Spektakel, sondern für Seriosität stand. Die Hamburger verteidigten biedere Berliner solide weg, gewannen die entscheidenden Duelle und klopften, wenn nötig, auch mal einen Ball lang weg. Und in der Hälfte der Gäste funktionierte das punktuelle Gegenpressing nach der Rückkehr von Meffert und Ludovit Reis gut - und führte nach hohem Ballgewinn in der 64. zu einem Glatzel-Abschluss.
Bei sich bleiben, unterschiedliche Spielsituationen verstehen: Am Sonnabend - gegen einen schwachen Gegner - brachten die Hamburger das zum ersten Mal in der Saison zusammen. Insofern hatte Torschütze Benes in seiner Analyse Recht, dass das Spiel ein "guter Schritt nach vorne" war. Es impliziert aber auch, weitere Schritte gehen zu müssen.
Nächste Aufgabe: Entwicklung bestätigen
Entscheidend wird für den HSV nämlich sein, soll es im sechsten Anlauf tatsächlich mit dem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga klappen, weitgehend konzentrierte Leistungen auch gegen Mannschaften abzurufen, die wirkliche Mannschaften sind und nicht wie Hertha ein fragmentierter Haufen. Insofern ist das Duell am kommenden Sonnabend in Hannover, das am Sonnabend in Rostock seinen ersten Saisonsieg gefeiert hatte und in der Liga noch ungeschlagen ist, eine gute Nagelprobe - und die Möglichkeit, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen.