HSV vor der Partie beim FC St. Pauli nur bedingt derby-bereit
Fußball-Zweitligist HSV hat beim mühsamen 2:1 gegen Eintracht Braunschweig seine bisher schwächste Heimdarbietung abgeliefert. Mit Blick auf das Derby gegen Stadtrivale St. Pauli am Freitag wirft die Leistung Fragen auf.
Die Mannschaft von Trainer Tim Walter bleibt in der 2. Liga das Maß aller Dinge. Zumindest zu Hause. Das, nach dem am Endeerzitterten 2:1 (2:0) über Eintracht Braunschweig, allerdings auch nur noch vom Ergebnis her.
Sieben Siege aus sieben Partien im Volksparkstadion zu Beginn einer Saison sind zweifelsfrei eine beeindruckende Bilanz - und die Einstellung eines Uralt-Startrekordes aus der Saison 1986/1987. Damals allerdings in der Bundesliga.
HSV überzeugt nur 45 Minuten lang
Der nur über 45 Minuten überzeugende Auftritt gegen die abstiegsbedrohten Niedersachsen aber vermochte nicht im Ansatz, Vorfreude auf die Derby-Woche aufkommen zu lassen. Zu lethargisch war der Auftritt des Teams in der zweiten Hälfte gegen dann zwar bessere, letztlich aber immer noch limitierte "Löwen".
Natürlich kann nicht jedes Heimspiel ein Feuerwerk sein, insofern hat Walter durchaus recht, dass auch mal "das Ergebnis zählen" darf. Dennoch haben er und sein Team es vor dem Duell mit Stadtrivale St. Pauli am kommenden Freitag (18.30 Uhr, im NDR Livecenter) zum wiederholten Male verpasst, ein stabiles Spiel über 90 Minuten abzuliefern. Und dies nun erstmals eben auch zu Hause.
Denn die zweiten 45 Minuten waren ein direktes Anknüpfen an die zuletzt schon fast chronisch instabilen Auswärtsauftritte. "Vielleicht haben wir uns etwas zu sicher gefühlt", versuchte sich Torjäger Robert Glatzel an einer Erklärung: "Wir hatten es in der Halbzeit eigentlich klar angesprochen, hätten es in der zweiten Hälfte aber besser spielen müssen."
Zu wenig Intensität, schlecht ausgespielte Umschaltsituationen
Die Mängelliste im zweiten Durchgang jedenfalls war lang: zu wenig Intensität in den Zweikämpfen, kein gutes Anlaufverhalten, kein geschlossenes Verschieben, schlampig ausgespielte Umschaltsituationen, mangelhafte Chancenverwertung.
Und so stand eine Partie, die der HSV in der ersten Hälfte nahezu nach Belieben dominiert hatte und in der er bei konsequenterer Spielweise auch höher hätte führen müssen, nach Fabio Kaufmanns sehenswertem Fernschusstreffer noch eine halbe Stunde lang auf der Kippe.
"Wir müssen das Spiel früher endgültig entscheiden und besser kontrollieren", monierte Premieren-Torschütze Guilherme Ramos entsprechend nach der Partie. Zwar verteidigten der Portugiese und Nebenmann Stephan Ambrosius im Abwehrzentrum bis auf Kaufmanns Abseitstreffer zum vermeintlichen 2:2 alles weg, souverän aber war der Auftritt des Teams jedoch nicht mehr.
Nichts aus den schwachen Auswärtsauftritten gelernt
Die Mannschaft scheint aus den teils erschreckend emotionslosen Auswärtspartien nichts gelernt zu haben. Zudem scheint ihr, im Versuch einer Spielkontrolle, der "Killerinstinkt" eines Spitzenteams abzugehen, um ein drittes und viertes Tor nachzulegen. Eines der Kernprobleme bleibt dabei - trotz der Torvorlage Jean-Luc Dompés für Ramos - die Ineffizienz über die Außen.
Überzeugt Bakery Jatta immerhin - wie mit seiner Balleroberung vor dem 2:0 zu Immanuel Pherais erstem Treffer im HSV-Dress - auch mit einer ordentlichen Arbeitsrate nach hinten, geht dem Franzosen dies komplett ab. Vielmehr wirkt er im Pressing-Verbund nicht mit und verstrickt sich am Flügel viel zu oft in Sinnlos-Dribblings, wenn beispielsweise Linksverteidiger Miro Muheim ihn überläuft und besser postiert wäre.
Jatta ist gegen St. Pauli gesperrt
In Phasen, in denen es nicht läuft, agiert die Mannschaft nicht mehr gemeinsam. Doch genau das wird es kommende Woche in deutlich gesteigertem Maße brauchen. Die Walter-Elf wird gegen St. Pauli, das so gut und geschlossen verschiebt, aggressiv presst und schnell kontert wie kein anderes Team der Liga, eine andere Körpersprache, Emotionalität und Intensität an den Tag legen müssen, soll es nicht die vierte Auswärtspleite der Saison setzen.
Dass ausgerechnet Jatta nach seiner fünften Gelben Karte im Derby ausfällt, ist eine weitere schlechte Nachricht für die Hamburger. Was also macht Hoffnung für das Spiel gegen den in dieser Saison so dominanten Stadtrivalen?
"Derby ist Derby - es ist ein Spiel mit eigenen Gesetzen." HSV-Stürmer Robert Glatzel
Es sind insbesondere die beiden Torschützen Ramos und Pherai. Der Portugiese erzielte nicht nur einen Treffer, sondern war auch in kämpferischer Hinsicht ein Vorbild. Und beim Niederländer kann man hoffen, dass mit seinem ersten Treffer der Knoten geplatzt ist. "Ich habe schon gegen Pauli getroffen", sagte der 22-Jährige am Freitag.
Der Doppelpack zum 2:1-Sieg in der vergangenen Saison war zwar noch im Dress von Eintracht Braunschweig und nicht am Millerntor, jedoch sollte Pherais neues Selbstvertrauen die Marschroute für das erneut instabile Team sein. Und Glatzel bemühte die Besonderheit der Partie in der kommenden Woche: "Derby ist Derby - es ist egal, mit welchem Gefühl im Rücken man dort antritt, denn es ist ein Spiel mit eigenen Gesetzen."
Etwas, das sich St. Pauli in den vergangenen Jahren wiederholt zunutze gemacht hatte, als die "Rothosen" als Favorit ins Stadtduell gingen. Nach dem mauen Auftritt der Walter-Elf am Freitag hat diese Rolle dieses Mal wohl eher der Kiezclub. Vielleicht liegt für den angeschlagenen HSV genau darin eine Chance.