Holsteins Höhenflug: Für Trainer Werner "eine Momentaufnahme"
Tabellenführer, seit acht Partien ungeschlagen, beste Abwehr der Liga - für Holstein Kiels Trainer Ole Werner ist es dennoch zu früh, von einem möglichen Bundesliga-Aufstieg zu reden.
HSV, Hannover 96, dazu die Bundesliga-Absteiger Fortuna Düsseldorf und SC Paderborn - vor Saisonbeginn waren sich viele Fußball-Experten schnell einig, wer zum Aufstiegs-Favoritenkreis in der Zweiten Liga zählen wird. Doch nach dem letzten Spieltag des Jahres zeigt Holstein Kiel allen eine lange Nase - und der Höhenflug der "Störche" ist kein Zufall.
Zuletzt fünf Siege in Folge
"Ich habe uns schon zugetraut, dass wir eine gute Saison spielen können", sagte KSV-Trainer Ole Werner im Sportclub, aber "dass es so läuft wie in den vergangenen Wochen", sei nicht zu erwarten gewesen. Die "vergangenen Wochen" sind in der Tat beeindruckend: Seit acht Partien sind die Kieler ungeschlagen, die jüngsten fünf Duelle wurden ausnahmslos gewonnen.
Den Titel "Weihnachtsmeister" ordnet Werner gleichwohl nur als "eine schöne Momentaufnahme" ein und bleibt nordisch zurückhaltend: "Wir wissen, dass wir eine Menge dafür getan haben, wir wissen aber auch, dass noch einige Spiele vor uns liegen."
"Es wird im Laufe der Saison eine Situation eintreten, wo man ein Gespür dafür hat, wo man ein Näschen dafür hat, in welche Richtung das Ganze gehen kann und was dann eine sinnvolle Zielsetzung für die letzten Spieltage ist. Aber davon sind wir ganz weit entfernt." Kiels Trainer Ole Werner
"Keiner kann sich zurücklehnen"
Es gebe viele Gründe für den Erfolg, so der 32-Jährige, der die KSV im September 2019 auf Tabellenplatz 16 übernahm. Im Gegensatz zu den Vorjahren mussten die Kieler vor dieser Saison keinen personellen Aderlass verkraften: "Das hat uns sicherlich geholfen, relativ schnell in die Spur zu finden und etwas aufbauen zu können." Zugleich lobte der Coach den "ausgeglichenen Kader", in dem die Zusammenarbeit sehr gut funktioniere: "Jeder Spieler nimmt seine Rolle an und versucht, sie ins Positive zu verbessern. Immer wieder wird gegenseitig eine Spannung aufgebaut, sodass sich auch keiner zurücklehnen kann."
Zugleich wachsen an der Ostsee nun aber auch die Ambitionen. Routinier Fin Bartels erklärte nach dem jüngsten 2:0-Sieg in Sandhausen, man sei der Realität, den Aufstieg zu schaffen, ein Stück näher gekommen. Trainer Werner versucht, die aufkommende Euphorie im Zaum zu halten: "Auch wenn es langweilig klingt, aber wir müssen von Spiel zu Spiel schauen. Wir haben eine superenge Liga, sehr ausgeglichene Spiele. Auch wenn die häufig in unsere Richtung gingen, habe ich noch kein Spiel erlebt, in dem wir auf Prozentpunkte verzichten konnten."
Defensivarbeit bei Mourinho und Simeone abgeschaut
Mit seinen 32 Jahren ist Werner der jüngste Coach im deutschen Profifußball, hat als Aktiver nur im Amateurbereich gekickt - und dennoch kein Autoritäts-Problem: "Für die Spieler ist es wichtig, dass da jemand ist, der für eine gute Arbeitsatmosphäre sorgt, für eine gute Zusammenarbeit in der Gruppe. Und dann vielleicht auf dem Platz den einen oder anderen Hinweis gibt, wie die Mannschaft erfolgreich sein kann." Er versuche, "einfach einen guten Job zu machen".
Damit das gelingt, blickt er auch in andere Ligen, hat sich per Videostudium zum Beispiel an der Defensivarbeit bei José Mourinho (Tottenham Hotspurs) oder Diego Simeone (Atletico Madrid) orientiert: "Da geht es dann weniger um mannschaftliche Themen, sondern mehr darum, wie einzelne Spieler das machen." Werner hat offenbar genau hingeschaut, denn die Kieler haben in 13 Saisonspielen lediglich elf Gegentreffer kassiert - Liga-Bestwert.
Spielrhythmus wie ein Europacup-Starter
Nun gelte es für Kiel, als Zweitligist "in einem Spielrhythmus erfolgreich sein, den sonst nur Mannschaften kennen, die international antreten", so Werner. Nach der kurzen Pause geht es für die "Störche" am 3. Januar gegen den VfL Osnabrück weiter. Sechs Tage später steht das Nordduell beim abstiegsgefährdeten FC St. Pauli an, ehe am 13. Januar der Höhepunkt der bisherigen Saison wartet: Dann gastiert der FC Bayern München im DFB-Pokal an der Förde. Schlägt der Zweitliga-"Weihnachtsmeister" den Erstliga-"Weihnachtsmeister", gibt vielleicht auch Trainer Werner seine Zurückhaltung ein wenig auf.